Bisher keine Anzeichen für Fentanyl-Welle in der Schweiz erkennbar

Die immer noch präsente Opioid-Krise in den USA fordert ihren Tribut. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Suchtepidemie in der Schweiz sei vielfach geringer.

Fentanyl ist stärker als Heroin - GETTY IMAGES NORTH AMERICA/AFP/Archiv

Das Schmerzmittel Fentanyl hat sich in den USA zur häufigsten Todesursache für Menschen im Alter zwischen 18 und 49 Jahren entwickelt. Ein solches Elend werde es in der Schweiz aus verschiedenen Gründen kaum geben, sagte Thilo Beck, Co-Chefarzt Psychiatrie der suchtmedizinischen Institution Arud.

Bisher gibt es gemäss Beck keine Anzeichen für eine Fentanyl-Welle in der Schweiz. Die Voraussetzungen in der Schweiz seien verglichen mit den USA völlig anders. Hier habe es nie in dem Ausmass eine ärztliche Überverschreibung von opioidhaltigen Schmerzmitteln gegeben wie in den USA.

Schwarzmärkte profitieren von US-System

Abhängig gewordene Patienten in den USA werden von ihren Ärzten nicht mehr weiter mit Schmerzmitteln versorgt, so dass die Betroffenen auf den Schwarzmarkt ausweichen müssen.

In der Schweiz gebe es zudem viel bessere Behandlungsangebote für Opioidabhängige als in den USA, sagte Beck weiter. Zu beobachten seien aktuell Jugendliche, die nicht über ärztliche Verschreibungen an starke Schmerzmittel gekommen seien, sondern über den Schwarzmarkt. Diese Betroffenen müsse man so schnell wie möglich in Behandlung nehmen, um Todesfälle zu vermeiden.

Kalter Entzug nicht immer zielführend

Eine Entzugsbehandlung sei dabei nicht immer das erste Ziel. «Sind die Jugendlichen noch in der Schule oder der Lehre, oder haben sie bereits eine Arbeitsstelle, könnte eine solche Massnahme ihre Entwicklung unterbrechen und gefährden», so Beck.

In diesen Fällen wird zunächst auf eine Behandlung mit Buprenorphin, Methadon oder Morphium «umgestellt», damit die Jugendlichen sich stabilisieren können, ohne ihre Anstellung oder Ausbildung zu gefährden.

Fentanyl ist Teil der Opioidkrise der USA. (Symbolbild) - keystone

Immer wieder kommen Delegationen aus den USA in die Schweiz, um sich über das «Schweizer Modell» zu informieren. Politisch hatten solch «pragmatische» Ansätze in den USA bisher aber wenig Chancen.

Die USA setzen seit jeher vor allem auf vollständige Drogenabstinenz. Entzüge bergen jedoch auch Risiken: Werden Fentanyl-Abhängige nach einem Entzug rückfällig, haben sie ein noch viel höheres Sterberisiko als vorher.

Fentanyl hat Heroin teilweise abgelöst

Das Schmerzmittel Fentanyl wirkt etwa 50 Mal stärker als Heroin und wurde ursprünglich für Patienten mit chronischen Schmerzen entwickelt, etwa für Krebspatienten im Endstadium. Der Bund lagert deshalb Pflaster mit Fentanyl in seinem Pflichtlager.

Drogenkartelle, die einst Heroin verkauften, stellten längst auf Fentanyl um und produzieren das synthetische Opioid heute auch selber. Dafür beziehen sie Rohchemikalien aus China. Mit Fentanyl können Kartelle heute viel mehr Geld verdienen als mit Heroin. Zudem ist es einfacher zu schmuggeln.