Coronavirus: Braucht es eine Impfpflicht für Organ-Empfänger?

Wer nicht gegen das Coronavirus geimpft ist, wird in den USA wegen schlechteren Überlebenschancen von der Warteliste für Spenderorgane gestrichen. Und bei uns?

In den USA werden Patienten ohne Impfung gegen das Coronavirus teilweise von der Warteliste für ein neues Organ gestrichen. (Symbolbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In den USA wird eine Corona-Impfung meist für ein Spenderorgan vorausgesetzt.
  • Grund dafür sind die schlechteren Überlebenschancen von Ungeimpften.
  • In der Schweiz werden Impfungen nicht vorgeschrieben, aber dringend empfohlen.

Die Diskussionen über Vor- und Nachteile je nach Impfstatus kochen hierzulande hoch und steuern auf einen Höhepunkt am 28. November zu im Rahmen der Abstimmung zum Covid-Gesetz.

Nun kommt eine neue Ebene hinzu, bei der es für die Betroffenen um Leben und Tod geht: die Transplantationsmedizin.

Ursprung der Debatte ist ein Fall aus dem US-Bundesstaat Colorado einer Patientin, die auf eine Niere wartet. Die Ärzte teilten der Frau mit, wegen der fehlenden Corona-Impfung werde sie auf der Warteliste deaktiviert. Falls sie die Impfung nicht innert 30 Tagen nachhole, werde sie komplett gestrichen. Der republikanische Abgeordnete Tim Geitner twitterte den Brief.

Die Überlegungen hinter diesem Entscheid: Da es nicht genügend lebensrettende Organe gibt, wird eine Priorisierung vorgenommen. Ein zentrales Kriterium ist dabei die Überlebenschance des Patienten.

Um ein Spenderorgan zu erhalten, erhalten die Patienten immunsuppressive Medikamente. Diese verhindern, dass ihr Körper das neue Organ als fremd abstösst – macht sie aber gleichzeitig sehr anfällig auf Infektionen. Deshalb werden in den USA Impfungen gegen Krankheiten wie Hepatitis, Tetanus und Influenza in der Regel vorausgesetzt.

Die Voraussetzung der Impfung gegen das Coronavirus ist in diesem Fall nur eine konsequente Fortsetzung der gängigen Praxis. Camille Kotton, Abteilungsleiterin am Massachusetts General Hospital, erklärte gegenüber «The Guardian»: «Bei Organ-Empfängern, die an dem Coronavirus erkranken, liegt die Sterblichkeitsrate bei 20 bis 30 Prozent. Eine erschreckend höhere Zahl als bei der übrigen Bevölkerung, die bei etwa 1,6 Prozent liegt.»

Selbst bei vollständig geimpften Empfängern sei das Risiko 82-mal höher, an Covid-19 zu erkranken. Die Wahrscheinlichkeit im Spital zu landen sei sogar um den Faktor 485 erhöht.

Coronavirus: Alle Patienten auf der Warteliste sind in der Schweiz geimpft

Auch in der Schweiz herrscht ein Organmangel. Im vergangenen Jahr waren fast 1500 Personen auf der Warteliste aufgeführt, doch nur 519 haben ein Spenderorgan erhalten. Wer wann an der Reihe ist, wird im entsprechenden Bundesgesetz geregelt. Entschieden wird nach Dringlichkeit, medizinischem Nutzen und der Wartezeit.

Auf der Warteliste für eine Organtransplantation befinden sich immer mehr Menschen. - Screenshot BAG

Die Impfung gegen das Coronavirus spielt also aktuell keine Rolle und «wird voraussichtlich auch in Zukunft keine Rolle spielen», so das BAG.

Gemäss der Organzuteilungsverordnung wäre dies jedoch zumindest theoretisch möglich, denn: Patienten werden in die Warteliste aufgenommen, wenn keine anderen medizinischen Gründe vorliegen, die den Transplantationserfolg gefährden.

Umfrage

Finden Sie eine Priorisierung von geimpften Patienten für ein Spenderorgan gerecht?

Ja, die Person mit den besten Überlebenschancen sollte das Organ erhalten.
29%
Nein, das ist diskriminierend.
71%

«Eine Impfung wird aber grundsätzlich dringend empfohlen auf der Warteliste», schreibt die Schweizerische Stiftung für Organspende und Transplantation «Swisstransplant» auf Anfrage. Und gemäss BAG halten sich die Patienten an diese Empfehlung: «Die Patienten in der Warteliste sind aktuell alle aus immunologischen Gründen gegen Covid-19 geimpft.»