Coronavirus: Experten zu Genfer Fall-Zahlen
Die Zahlen des Coronavirus steigen in Genf deutlich an. Ein lokaler Lockdown könne noch verhindert werden, wenn schnell reagiert wird, so Experten.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Neuinfektionszahlen in Genf erreichen hohe Werte.
- Man habe die Situation unter Kontrolle, beruhigt der Sprecher des Gesundheitsdepartements.
- Dennoch müsse nun viel getan werden, sagt Taskforce-Experte Marcel Tanner.
Die Zahlen der Neuinfektionen mit dem Coronavirus aus Genf sind Anlass zur Besorgnis: Am Donnerstag meldete das BAG 66 neue Fälle im Kanton Genf. Es ist der höchste Wert, der an einem Tag in einem einzelnen Kanton seit dem Ende des Lockdowns gemeldet wurde.
Auch die 14-Tage-Inzidenz ist mittlerweile hoch: Der Kanton verzeichnete in den vergangenen zwei Wochen 96,9 Infektionen pro 100'000 Einwohner.
Die lokalen Behörden beschwichtigen: Die Lage bleibe unter Kontrolle. Auch Marcel Tanner, von der Expertengruppe «Public Health» der Covid-19-Task-Force, beruhigt: Wenn jetzt schnell gehandelt werde, könne ein erneuter Lockdown abgewendet werden.
Contact Tracing bei Coronavirus wird ausgebaut
Das Contact Tracing wird mit den steigenden Zahlen immer aufwändiger. Laurent Paoliello, Kommunikationsverantwortlicher des Genfer Gesundheitsdepartements, erklärt: 600 nahe Kontaktpersonen von Infizierten befinden sich in Quarantäne, hinzu kommen 600 Rückkehrer aus dem Ausland.
«Das Contact-Tracing-Team umfasst 60 Personen, von denen täglich 25 Personen im Einsatz sind. Wir sind dabei, das Team auf 35 permantente Contact Tracer auszubauen», so Paoliello.
Das sei sicher gut, könnte bei einem weiteren Fall-Anstieg nicht genügen, erklärt Marcel Tanner und meint: «Man muss stets schnell eingreifen. Wenn das Contact-Tracing-Kontingent nicht genügt, muss sich Genf Hilfe holen. Contact Tracer aus Nachbarkantonen könnten die Genfer unterstützen.»
Bleibt die Situation unter Kontrolle?
«Die Leute haben die Richtlinien nicht mehr beachtet», erklärt Paoliello. Auch in Genf sei es in einem Club zu 20 Neuinfektionen gekommen, ein Drittel der Fälle sei auf Partys zurückzuführen. «Wir haben viele Massnahmen ergriffen und wollten früh handeln. Die Effekte werden wir allerdings erst in den kommenden Tagen sehen.»
Paoliello sieht bereits wieder einen Abwärtstrend: Die vom BAG täglich gemeldeten Fälle verteilen sich jeweils auf die letzten Tage. Tatsächlich würden, zieht man die Nachmeldungen ab, wieder weniger Fälle gemeldet: «Am 27. Juli waren es 60 Fälle, am Tag darauf 42, nun 17.»
Mittlerweile hat Genf die Schliessung der Clubs beschlossen. Danach klang es zum Zeitpunkt des Gesprächs mit Paoliello noch nicht: Man wolle in Genf nicht zu schnell wieder zu viele Massnahmen ergreifen. «Wir wollen die Discos nicht schliessen. Wenn sich die Leute dann stattdessen draussen treffen, ist das genauso schlimm», so Paoliello.
«Ein neuer Lockdown wäre fatal»
Von einem erneuten lokalen Lockdown sei man in Genf noch weit entfernt, beruhigt Paoliello. Marcel Tanner ergänzt: «Alle wissen, was zu tun ist» Es dürfe nun nicht lange diskutiert werden: «Jetzt ist direkte Public-Health-Action gefordert.»
Tanner vergleicht den Kampf gegen das Coronavirus mit einem Feuerwehr-Einsatz: «Dank dem Contact Tracing wissen wir, wo die Brandherde sind. Jetzt müssen die Brände im Keim erstickt werden, ehe die ganze Strasse brennt. Das verhindert eine weitere flächendeckende Welle.»
Die Schweiz sei seit der ersten Welle krisengeübt, so Tanner: «Es war ein riesiger Effort im März und April. Jetzt müssen wir einen riesen Effort machen, um nicht wieder in die gleiche Situation zu kommen. Ein neuer regionaler oder landesweiter Lockdown wäre fatal – sozial wie wirtschaftlich.»
Gemeinschaft in der Verantwortung: «Wir sitzen alle im gleichen Boot»
Man müsse daher alles tun, damit der lokale Ausbruch lokal bleibt. «Wir sitzen alle im gleichen Boot», so Tanner. «Jetzt muss man sich doppelt am Riemen reissen – sonst läuft es aus dem Ruder.»
Dabei sieht der 67-jährige Tanner vor allem die junge Generation in der Verantwortung: «Es ist nachvollziehbar, dass die jüngeren Menschen weniger Verständnis für die Massnahmen haben. Es sind nicht alle gleich vom Coronavirus betroffen, aber der Schutz der Risikogruppe und damit der Gesamtbevölkerung betrifft alle.»