Coronavirus: Sozialämter erhalten dreimal so viele Anmeldungen
Die aktuelle Krise um das Coronavirus lässt die Anmeldungen für Sozialhilfe stark ansteigen. Vor allem Selbstständige und Stundenlöhner melden sich nun an.
Das Wichtigste in Kürze
- Das öffentliche Leben ist in der Schweiz wegen der Corona-Krise stark eingeschränkt.
- Massenweise Läden und Institutionen mussten wegen der ausserordentlichen Lage schliessen.
- Umso grösser ist der Anstieg an Anmeldungen für die Sozialhilfe.
Seit knapp zwei Wochen befindet sich die Schweiz in der ausserordentlichen Lage. Für sehr viele Läden und Institutionen bedeutete dies, dass sie die Schotten dicht machen mussten. Diese Coronavirus-Massnahmen treffen die Schweizer Wirtschaft brutal.
Der Bund versucht die Wirtschaft mit verschiedenen Massnahmen zu stützen: Er empfiehlt Firmen die Kurzarbeit, damit Jobs erhalten werden können. Davon haben aber Selbstständige nichts, die ohne ihr Einkommen nicht überleben können. Sie haben nämlich weder Anrecht auf Kurzarbeitsentschädigung noch sind sie Gesetzes wegen bei der Arbeitslosenversicherung versichert. Also erhalten sie kein Arbeitslosengeld.
Deswegen griff der Bundesrat Ende letzte Woche den Selbstständigen etwas mehr unter die Arme. Wer aufgrund von Schulschliessungen, ärztlich verordneter Quarantäne oder wegen Betriebsschliessungen Erwerbsausfälle hat, wird nun entschädigt.
Dennoch können sich Selbstständige bereits jetzt in wirtschaftlicher Notlage befinden und kämpfen um ihre Existenz. Bis Lösungen für selbstständig Erwerbende umgesetzt sind, «muss die Sozialhilfe als unterstes Netz der Existenzsicherung greifen. Und die materielle Grundsicherung der Personen sicherstellen», schreibt die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe.
Selbstständige und Stundenlöhner benötigen wegen Coronavirus Sozialhilfe
«Allein am Montag sind 50 Unterstützungs-Gesuche eingereicht worden. Sonst sind es etwa 180 Gesuche pro Monat», schreibt Felix Wolffers, Leiter Sozialamt der Stadt Bern, auf Anfrage. Tatsächlich seien es vor allem selbstständige Kleingewerbler, Taxifahrer, Coiffeure sowie Personen aus dem Kultur- und Eventbereich. «Aber auch viele Personen, die im Stundenlohn oder auf Abruf angestellt sind.»
In der Stadt Zürich haben sich die Anmeldungen für Sozialhilfe mehr als verdreifacht, wie Heike Isselhorst, Kommunikationsleiterin des Sozialdepartements, erzählt. «Vor dem Montag letzte Woche waren es etwa 20 Anmeldungen pro Tag, nun sind es etwa 65.»
Auch hier handle es sich zum Grossteil um Selbstständige. «Es sind auffallend viele Erstanmeldungen, was emotional sehr schwierig ist», so Isselhorst.
Auch in der Stadt Luzern hätten sich «aussergewöhnlich viele selbstständig Erwerbende» gemeldet, wie Felix Föhn, Abteilungsleiter Soziale Dienste, berichtet. «Es trifft in erster Linie Einzelunternehmungen aus allen Branchen und Dienstleistungen sowie Stundenlöhner.» Im Kanton Basel-Stadt gibt es unter den Stundenlöhnern, die sich anmelden, auch viele Studierende.
Nicht alle Selbstständigen profitieren von den Massnahmen des Bundes
«Die Ankündigung des Bundes, Taggelder an Selbstständige auszurichten, waren sicher hilfreich. In vielen Fällen zahlen die Sozialen Dienste deshalb lediglich eine Bevorschussung, bis das Geld aus der Ausgleichskasse fliesst.» Dies erklärt Mirjam Menzi vom Departement Soziales der Stadt Winterthur.
Aber es gebe auch Selbstständige, die von den Massnahmen des Bundes zum Coronavirus nicht profitieren, da sie nur indirekt von den behördlichen Einschränkungen betroffen seien. «So zum Beispiel Take-Aways, die zwar noch offen haben dürfen, denen aber die Kundschaft wegbricht.»
Wegen des zu erwartenden starken Zulaufs seien die Sozialämter angehalten, möglichst unbürokratisch vorzugehen und etwa Gutscheine für den Sofort-Bedarf bereitzuhalten. «Wir wissen, dass sich grössere Sozialdienste diesbezüglich gut organisiert und vorbereitet haben», sagt Adela Civic, Leiterin Abteilung Familie und Sozialhilfe Kanton St. Gallen.
Die hohe Nachfrage bringt einige Sozialämter ans Limit. «Wichtig ist, dass die vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen rasch umgesetzt werden. Und dass für alle Betroffenen klar ist, an wen sie sich wenden können, um Hilfe zu erhalten», so Wolffers.