Die Schweiz hat «immer weniger Blut» für Kranke und Verletzte
Ein Leser erhält zweimal innert kurzer Zeit einen Blutspenden-Aufruf per E-Mail. «Jetzt wird es langsam ernst», heisst es darin. Wie gravierend ist die Situation?
Das Wichtigste in Kürze
- Laut Blutspende SRK Schweiz ist die Lage rund um den Blutvorrat in der Schweiz angespannt.
- Besonders in Ferienzeiten komme es immer wieder zu Engpässen.
- Bei der Spendenbereitschaft zeigen sich Unterschiede bezüglich Alter und Regionen.
Nau.ch-Leser Markus Schmid* geht regelmässig zum Blutspenden. Wenn er nach einer Weile nicht geht, erhält eine Erinnerung per E-Mail. Doch dieses Mal kriegt er innert kürzester Zeit zweimal einen Blutspenden-Aufruf.
«Jetzt wird es langsam ernst», steht gross am Anfang der Nachricht. Und weiter: «Wir haben immer weniger Blut für Kranke und Verletzte, welche Ihre Blutgruppe benötigen.»
Doch wie ernst ist die Lage in der Schweiz wirklich? Nau.ch hat bei der Dachorganisation Blutspende SRK Schweiz nachgefragt.
«Die Lage rund um den Blutvorrat in der Schweiz ist angespannt», bestätigt Sprecherin Franziska Kellenberger. Alarmierend sei sie aber noch nicht.
«Besonders in Ferienzeiten kommt es zu Engpässen»
Der Blutspendebedarf bleibe hoch. Insbesondere wegen regelmässiger Behandlungen von Tumoren, in der Unfallversorgung und bei chirurgischen Eingriffen.
«Besonders in Ferienzeiten kommt es immer wieder zu Engpässen, da die Spendebereitschaft schwankt und Blutprodukte nur eine begrenzte Haltbarkeit haben.»
Die Anzahl der Blutspenden habe in den letzten Jahren leicht abgenommen. «Diese Entwicklung lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen, darunter der demografische Wandel und die Altersstruktur der Bevölkerung. Auch pandemiebedingte Einschränkungen haben zeitweise zu einem Rückgang geführt», sagt Kellenberger.
Ein weiterer Grund könnten der steigende Zeitdruck im Alltag oder vermehrte Reisen ins Ausland sein. Das halte besonders junge Menschen davon ab, regelmässig zu spenden. Trotzdem bleibe die Spendebereitschaft in der Schweiz insgesamt stabil.
Jüngere haben andere Prioritäten
Unterschiede bei der Blutspende gebe es etwa zwischen Generationen, Regionen oder Geschlechtern. So hätten ältere Generationen oft eine langjährige Bindung zum Blutspenden aufgebaut, während jüngere Menschen meist weniger regelmässig spenden.
«Dies könnte daran liegen, dass jüngere Menschen teilweise weniger über die Blutspende informiert sind. Oder andere Prioritäten haben.»
Ausserdem sei in städtischen Regionen, wie etwa in Zürich, Genf oder Basel, die Spendenquote teilweise niedriger als in ländlicheren Gebieten.
«In ländlichen Regionen ist die Blutspende oft besser in die Gemeinschaft eingebettet. Und die Organisation von mobilen Spendeaktionen ist dort traditionell verankert», erklärt Kellenberger.
Bedarf nicht in allen Regionen gleich gross
Die Verfügbarkeit von Spendezentren und die Anbindung an den öffentlichen Verkehr spielten ebenfalls eine Rolle. Zudem sei der Bedarf an Blutprodukten nicht in allen Regionen gleich gross. Es gebe regionale Blutspendedienste mit chronischer Blutknappheit und solche mit Überschüssen.
«Beispielsweise haben Basel und Genf mit ihren Universitätsspitälern einen hohen Blutbedarf. Jedoch nur ein kleines Einzugsgebiet an Blutspenderinnen und Blutspendern.»
Seien die Lagerbestände in einzelnen Regionen zu tief, bestehe die Möglichkeit zu Ausgleichslieferungen zwischen den regionalen Blutspendediensten. «Oft nehmen diese zudem direkt mit Spenderinnen und Spendern einer dringend benötigten Blutgruppe Kontakt auf. Und bitten sie, zur Blutspende zu kommen.»
Mehr Spender als Spenderinnen
Auch zwischen den Geschlechtern gebe es leichte Unterschiede. «Dies ist auch bedingt, dass Frauen pro Jahr nur maximal dreimal spenden dürfen und Männer viermal im Jahr. Bei Frauen dauert das Wiederauffüllen des Eisenspeichers länger.» 2023 seien es 58 Prozent Spender und 42 Prozent Spenderinnen gewesen.
Umfrage
Gehst du regelmässig Blutspenden?
Mit Aktionen wie «Bring a friend» (Deutsch: «Bring einen Freund») versuchen die Blutspendedienste, neue Spenderinnen und Spender zu gewinnen. Dabei erhält man ein Geschenk, wenn man einen Erstspendenden mitbringt. Das sei ein wirksames Mittel.
Weitere Ansätze, um Menschen zum Blutspenden zu motivieren, seien Aufklärungskampagnen oder Kooperationen mit Schulen, Universitäten und Unternehmen.
*Name geändert