Easyjet sorgt mit Knallhart-Gepäckregel für Verspätungen
Die neue Gepäckregelung von Easyjet sorgt bei Passagieren der Airline für Ärger. Und dafür, dass sich das Boarding bis zu Verspätungen in die Länge zieht.

Das Wichtigste in Kürze
- Easyjet hat seine Handgepäckregelung angepasst. Das sorgt für Unmut bei Fluggästen.
- Denn: Die neue Regelung sorgt für strengere Kontrollen und verkompliziert das Boarding.
- Die Probleme mit dem Handgepäck seien «hausgemacht», erklärt ein Experte.
Wer heutzutage eine kurze Flugreise macht, greift nicht selten auf Billig-Airlines zurück – und reist nur mit Handgepäck.
So auch Loris B.* und Joëlle M.* aus der Region Bern. Sie reisen mit Easyjet von Basel nach Spanien und wieder zurück.
Doch bereits beim Hinflug dauert das Boarding aussergewöhnlich lange, wie Joëlle M.* findet. Denn: Die Billig-Fluggesellschaft prüft fast alle Handgepäckstücke der Passagiere.
Neue Handgepäckregel verlängert Boarding bei Easyjet
«Easyjet hat während Corona das Gratis-Handgepäck verkleinert. Jetzt ist nur noch eine ähnliche Grösse wie bei Ryanair erlaubt», erklärt Loris B.* gegenüber Nau.ch.
Dies wüssten wohl viele Passagiere nicht und hätten deshalb zu grosse Taschen dabei. Das stellte das Paar bereits bei anderen Flugreisen mit der Billig-Airline fest. Und das führt zu Problemen beim Boarding.
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«Easyjet kontrolliert mittlerweile beinahe jedes Handgepäckstück. Jede und jeder muss sein Gepäck ins dafür vorgesehene Fach legen und das ist sehr zeitaufwändig», beschreibt Joëlle M.* das Boarding.
Wer ein zu grosses Gepäck hat, muss blechen
So sei es auch bei der Hin- und Rückreise aus Spanien gewesen. Was das Paar besonders nervt: «Der Rückflug war bereits eine Stunde verspätet, als das Boarding begann.»
Doch statt sich zu beeilen, hätte das Bodenpersonal wieder pingelig genau auf die Gepäckstücke geachtet, berichten sie. «Die Leute wurden richtig hässig und es wurde geschrien.»
Schliesslich hätte das Boarding statt 30 Minuten mehr als eine Stunde gedauert.
Denn wer eine zu grosse oder mehrere Taschen habe, versuche, noch schnell umzupacken oder Kleidungsstücke anzuziehen.
Der Grund: Wer ein zu grosses oder mehrere Gepäckstücke hat, muss vor Ort 60 Franken blechen, um das Gepäckstück mitzunehmen. Das, obwohl ein dazugebuchtes Handgepäck beim Check-in in der Easyjet-App nur rund zehn bis 30 Franken kostet.
Selbst Jacken und kleine Täschlis müssen ins Handgepäck
Auch sie hätten schon mehrmals das Gepäckstück prüfen lassen müssen, so die beiden. Ein Mal seien sie sogar aufgefordert worden, die Jacken entweder anzuziehen oder in die Tasche zu verstauen.
Und Joelle M.* erzählt: «Mein kleines Täschli für den Pass und das Handy musste ich auch in mein Handgepäck legen. Das ist doch absurd.»
Etwas kleinlich findet dieses Vorgehen auch der Ombudsmann der Schweizer Reisebranche, Walter Kunz: «Man sollte von der Airline-Seite her nicht zu pingelig sein und gesunden Menschenverstand walten lassen.»
«Einheitliche Regelung wäre wünschenswert»
Aber Kunz nimmt Easyjet auch in Schutz. Verspätungen würden auch durch Fluggäste verursacht, die sich nicht an die Regeln halten würden. Zudem gebe es viele Kunden, die beim Handgepäck jegliches Mass verloren hätten.

Deshalb befürwortet der Ombudsmann der Schweizer Reisebranche klare Regeln, die dann auch kontrolliert und durchgesetzt werden.
Nur: «Eine einheitliche und Airline-übergreifende Regelung – auch bei der Grösse des Handgepäcks – wäre wünschenswert.»
Problem ist «hausgemacht»
Zudem findet Kunz: «Das Problem der Airlines ist auch hausgemacht. Dass viele Menschen kein Gepäck mehr aufgeben und stattdessen nur noch mit Handgepäck verreisen, liegt daran, dass Aufgabegepäck kostet.»
Ein Unding, so der Ombudsmann der Schweizer Reisebranche: «Mindestens auf Langstreckenflügen sollte das Aufgabegepäck gratis sein. Niemand verreist nach New York oder Sydney und hat nur ein Handgepäckstück dabei.»
Doch warum kostet ein zu grosses Handgepäckstück bei Easyjet am Gate mehr, als wenn man es zum Voraus bucht? Und ist das überhaupt legal?
Hinzugebuchtes Handgepäck darf online günstiger sein
Flugrechts-Experte Simon Sommer, der bei «cancelled.ch» als Jurist tätig ist, erklärt: «Es gilt Vertragsfreiheit. Eine Fluggesellschaft kann selber darüber entscheiden, wie hoch etwaige Gepäckgebühren sind.»
Und: «Dass ein online hinzugebuchtes Handgepäckstück günstiger ist als am Gate, lässt sich mit dem geringeren personellen und administrativen Aufwand begründen.»
Ausserdem ermögliche die frühzeitige Anmeldung der Gepäckstücke eine bessere Planung und Kalkulation für die Airline. Dies sowohl hinsichtlich des Stauraums an Bord als auch beim Boarding-Prozess.
Für Handgepäckgrössen gibt es keine Regeln
Auch bei der Grösse der Handgepäckstücke seien Airlines frei, so Sommer. Üblich sei es, dass ein «kleines» Handgepäckstück oder ein persönlicher Gegenstand unter den Sitz passen müsse.
Zudem: «Es gibt eine Empfehlung des Welt-Luftfahrtverbands. Nach dieser sollten Handgepäckstücke maximal 56 Mal 45 Mal 25 Zentimeter gross sein. Doch auch das ist unverbindlich.»
Doch warum hat Easyjet das Gratis-Handgepäck überhaupt verkleinert?
Neue Handgepäckregel soll Boarding «vereinfachen»
Dazu erklärt die Airline: «Der Platz in den oberen Gepäckfächern der Flugzeuge ist begrenzt. Das wirkte sich auf die Unterbringung von grösseren Handgepäckstücken, die Pünktlichkeit und die Kundenzufriedenheit aus.»
Deshalb habe man beschlossen, die Handgepäckgrösse zu verringern. «Diese neue Politik hat es uns ermöglicht, das Boarding zu vereinfachen.»
Etwas, was Joëlle M.* und Loris B.* anders sehen: «Das Boarding hat sich verlängert und verkompliziert. Und auch das Buchen ist komplexer geworden.»