Engpass bei Grippe: Experte befürchtet «Impf-Tourismus»
Vielerorts die erste Ladung an Grippe-Impfungen bereits aufgebraucht. Weil nicht nachbestellt werden kann, müssten sich Schweizer ausserhalb impfen lassen.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Schweiz herrscht ein Engpass an Grippe-Impfungen.
- Nachbestellungen sind dieses Jahr nicht mehr möglich.
- Ein Spital-Apotheker hält darum einen «Impf-Tourismus» für möglich.
«Impfe sich, wer kann», hiess es vonseiten der Schweizer Behörden in diesem Sommer. So soll verhindert werden, dass die Grippe dem Gesundheitssystem wertvolle Ressourcen kostet, die aktuell für das Coronavirus investiert werden müssen.
Und offenbar nahmen sich viele Schweizer den Aufruf zu Herzen. Apotheken wurden in den letzten Wochen regelrecht «überrannt». Auch im Tessin ist die erste Ladung Grippe-Impfdosen bereits aufgebraucht, Nachschub gibt es erst Ende November.
Führt Engpass zu Impf-Tourismus?
In Bern ist die Situation ebenfalls angespannt. «Wir haben das Doppelte bestellt und sind selber trotzdem in der Klemme», sagt Enea Martinelli gegenüber Nau.ch. Er ist Spital-Apotheker für mehrere Regionalspitäler im Berner Oberland und Spezialist für nicht lieferbare Medikamente.
Gross Aushelfen könne man darum im Tessin oder andernorts nicht, bedauert er. Was tun also, wenn man in der eigenen Umgebung keine Impfung mehr bekommt, aber nicht warten will? Martinelli hält einen «Impf-Tourismus» für möglich.
Sprich, dass Entschlossene in andere Teile der Schweiz reisen würden, um noch eine Impfung zu ergattern. Das Tessin kennt diese Thematik bereits: Neben Tessinerinnen und Tessinern hätten sich auch viele Grenzgänger im Südkanton gegen die Grippe impfen lassen wollen, heisst es in einem «RSI»-Bericht.
Aber auch das dürfte vielerorts schwierig werden. Das BAG hat dazu aufgerufen, zuerst Personen mit erhöhtem Komplikationsrisiko und deren engen Kontaktpersonen zu impfen. «Für uns im Spital ist das einfach: Bei uns ist es entweder Personal, das mit Risikopatienten zu tun hat oder es sind Risikopatienten.»
Nachbestellungen nicht möglich
Anders sieht es in den Apotheken aus, für welche die Anordnung einen zusätzlichen Mehraufwand bedeutet. Bei jeder Impfung brauche es dort «eine individuelle Einschätzung» der Kunden, sobald der Vorrat knapp wird.
Dieser kann dann auch nicht einfach wieder aufgestockt werden. «Wir müssen jeweils bis Ende März, dieses Jahr Ende April, unsere Bestellung abliefern», erklärt Martinelli das Dilemma. «Dann erfolgt die Lieferung jeweils Anfang Oktober. In diesem Jahr kommt dazu, dass nichts nachbestellt werden kann.» Es bleibt also nur noch übrig, was es hat.