Häusliche Gewalt: Frauen missbrauchen ihre Männer oft psychisch

Beziehungsdelikte werden meist von Männern begangen. Doch immer wieder werden auch sie zu Opfern – zuletzt hat schwere häusliche Gewalt gegen Männer zugenommen.

Auch Männern werden immer wieder Opfer von häuslicher Gewalt. Schwere Gewalt gegen sie hat sogar zugenommen. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In den letzten Jahren hat schwere häusliche Gewalt gegen Männer zugenommen.
  • Zuletzt sorgten auch immer wieder Tötungsdelikte von Frauen für mediales Aufsehen.
  • Eine Männerhaus-Mitarbeiterin erzählt, wie diese häusliche Gewalt oft aussieht.

Immer wieder werden Frauen von ihren Männern oder Ex-Partnern angegriffen oder gar getötet. Diese Vorfälle sind so häufig, dass inzwischen gar Listen mit sogenannten Femiziden existieren. Damit soll gezeigt werden, wie gross das Problem männlicher Gewalt gegen Frauen ist.

Doch nicht nur Frauen können Opfer häuslicher Gewalt werden. In der Schweiz gibt es immer mal wieder den umgekehrten Fall. Ein Beispiel, das kürzlich für Schlagzeilen sorgte: Eine 34-Jährige wurde vom Bezirksgericht Bülach ZH verurteilt, weil sie ihren Partner attackiert und schikaniert hatte.

Die Frau hatte ihm und seinen Eltern mit dem Tod gedroht. Mehrmals blockierte sie mit grundlosen Notrufen die 117-Zentrale, einmal löste sie damit einen Polizeieinsatz aus.

Schliesslich verleumdete sie einen Bekannten per E-Mail bei seinem Arbeitgeber. Sie zeigte ihn wegen angeblicher Sexualdelikte bei der Polizei an. Ein daraufhin eröffnetes Strafverfahren gegen den Mann wurde drei Monate später eingestellt.

Gemeinderat und Wirt von ihren Frauen getötet

In den vergangenen Jahren gab es auch mehrere tödliche Vorfälle. In Lauterbrunnen BE zum Beispiel wurde im August 2022 ein Gemeinderat von seiner Frau erstochen. Sie gestand die Tat wenig später.

Ebenfalls im Kanton Bern hat eine Kampfsportlerin mutmasslich ihren Mann, einen Wirt aus Interlaken, getötet. Sie soll ihn mit einem Baseballschläger attackiert haben.

Tatsächlich haben schwere Gewalttaten gegen Männer im häuslichen Bereich zuletzt zugenommen. 2022 erlitten laut dem Bundesamt für Statistik 41 Männer eine schwere Körperverletzung. 2021 waren es noch 38, 2020 39 und im Vor-Corona-Jahr 2019 nur 24. In dieser Grössenordnung bewegten sich die Zahlen vor der Pandemie häufig.

Zusammengefasst: Seit Corona werden mehr Männer Opfer von schwerer häuslicher Gewalt. Bei den Tötungsdelikten verhalten sich die Zahlen anders, hier ist kein Anstieg festzustellen.

«Frau drohte, sie töte ihn im Schlaf»

Vor Ort in der Anlaufstelle für männliche Opfer interessieren Zahlen jedoch weniger als Schicksale. Tania Glanzmann arbeitet für das Männerhaus in Bern. «Ich erlebe, dass häusliche Gewalt gegen Männer sehr oft vor allem psychisch ist», erklärt sie. «Betroffene werden oft über Jahre von ihren Frauen heruntergemacht und schikaniert.»

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Ein Beispiel, das Glanzmann geblieben ist: «Wir hatten einmal einen Vater, dessen Frau ihm ständig drohte, sie töte ihn im Schlaf. Zu Beginn nahm er das nicht ernst, dachte, sie sage das nur, um ihn zu verletzen. Doch mit der Zeit bekam er richtig Angst und landete schliesslich bei uns.»

Auch häufig seien Beschimpfungen, Drohungen, mit den Kindern davonzulaufen oder Kontrolle. «Wir hatten auch schon Männer, deren Frauen regelmässig beim Arbeitgeber anriefen, um zu fragen, wann genau er kam und ging.»

«Frauen und Männer ticken anders» bei Gewalt

Seltener erlebe sie Fälle von schwerer körperlicher Gewalt. Glanzmann: «Einerseits dürfte das damit zu tun haben, dass es trotz Zunahme eher selten ist. Andererseits bekommen wir das auch weniger mit, weil hier schnell die Polizei involviert ist, nicht mehr das Männerhaus.»

Frauen waren laut Statistik 2022 fast doppelt so häufig von schwerer körperlichen Gewalt im häuslichen Bereich betroffen als Männer. Glanzmann erklärt sich das so: «Frauen und Männer denken und handeln in dieser Beziehung anders. Männer reagieren schneller physisch, Frauen eher mental.»

«Wir müssen auch Frauen die Möglichkeit geben, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren», sagt Tania Glanzmann vom Männerhaus Bern. (Symbolbild) - pexels

Aber: Die Täter- und Opferrolle seien nicht so schwarz-weiss, wie man es der Einfachheit gerne hätte, findet Glanzmann. «Vielleicht war ein Mann vorher jahrelanger psychischer Gewalt ausgesetzt, bevor er austickt. Fast in jeder Beziehung, in der es zu häuslicher Gewalt kommt, ist sie gegenseitig.»

Sie wolle Gewalt von Männern keineswegs entschuldigen. Aber: «Wir müssen auch Frauen die Möglichkeit geben, ihr eigenes Verhalten zu reflektieren. Wenn man diese Opfer-Täter-Rolle so schwarz-weiss darstellt, nimmt man ihnen diese Gelegenheit.»

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Aufruf

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Hilfe für Suizidbetroffene: www.trauernetz.ch