Nach Tod von Uriella kommt Stunde der Mini Sekten

Nach dem Tod von Uriella gehen Sektenexperten davon aus, dass sich Fiat Lux auflösen wird. Doch auch andere grosse Orden haben derzeit einen schweren Stand.

Fiat Lux Mitglieder im Waldshuter Landgerichtes beim Prozessauftakt gegen ihre Führerin Erika Bertschinger-Eike alias Uriella im Jahr 1996. Die selbsternannte Geisterheilerin musste sich unter anderem wegen fahrlässiger Tötung verantworten. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Uriella starb im Alter von 90 Jahren.
  • Am Freitag ist die Führerin von Fiat Lux beerdigt worden.
  • Sektenexperten gehen davon aus, dass Fiat Lux ohne Uriella nicht weiter bestehen kann.

Den grossen Sekten laufen die Mitglieder davon. Die Zeiten bekannter Sektengurus wie Uriella (†90) es war, scheinen vorbei. «Seit ein paar Jahren sehen wir einen Trend weg von grösseren Gemeinschaften hin zu Kleingruppen. Diese scharen sich schon fast familiär um einen Meister», sagt Georg Otto Schmid von der Sekten-Informationsstelle Relinfo.ch.

Uriella, das Fiat-Lux-Oberhaupt, ist neunzigjährig gestorben. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/WALTER BIERI

Dies mache sich bei der Informationsstelle durch vermehrte Anfragen bemerkbar: «Kleingruppen sind weniger bekannt, als die in der Schweiz bekannten grossen Gemeinschaften wie Scientology, die Zeugen Jehovas, und - in etwas geringerem Ausmass - die Mormonen.» Dadurch sei der Beratungsaufwand bei Relinfo.ch seit Jahren steigend.

Gesellschaftlicher Prozess der Individualität

Die Ursachen der Abwanderung von grossen zu kleinen seien verschieden. Einerseits das gesellschaftliche Streben nach Individualisierung. Andererseits die breite Kritik an grossen Sekten.

Schmid erklärt: «Mit dem Internet können Aussteiger ihre Erfahrungen heute in der ganzen Welt verbreiten. Ist eine grosse Organisation betroffen, schlägt dies schnell hohe Wellen. Demgegenüber können Kleingruppen oft über Jahre operieren, ohne dass sich kritische Berichte im Web finden.»

Der Leidensdruck und die Entschlossenheit müssen gross sein

«Der erste Schritt - und auch der schwierigste - ist die Entscheidung zum Ausstieg. Oft werden Mitglieder mit der Ankündigung eines schlimmen Schicksals von dieser Entscheidung abgehalten», erklärt Georg Otto Schmid.

Als Beispiel nennt Schmid die Schilderungen von Moderatorin Michelle Hunziker (42) die ein Buch über ihre Erfahrungen bei den «Kriegern des Lichts» schrieb.

«Im Falle ihres Ausstiegs hat man ihr mit Krankheit und Tod gedroht. Nach fünf Jahren war sie so erschöpft, dass sie den angedrohten Tod als ihr Schicksal annahm. Erst dadurch hat die Drohung ihre Kraft verloren. Und Michelle Hunziker konnte die Gemeinschaft verlassen.»

Michelle Hunziker bei der Veröffentlichung ihres neuen Buchs. - keystone

Sind die Probleme wieder da, ist die Rückfallgefahr gross

Viele Aussteiger würden später mit dem sogenannten «Floating» konfrontiert. Schmid erklärt: «Das heisst, sie stellen ihren Entscheid immer wieder in Frage und überlegen, in die Gemeinschaft zurückzukehren.»

Denn: «Wer einer Sekte beitritt, tut dies meist wegen als gravierend empfundenen Problemen. Diese werden durch die Gemeinschaft scheinbar gelöst, kehren aber nach Austritt typischerweise zurück.»