SBB löscht Verspätungen im Nachhinein – Kritik
Erreicht ein Zug sein Ziel, löscht die SBB Echtzeitdaten zu Verspätungen aus ihrer Online-App. Allerdings nicht, um sie heimlich zu verbergen, wie sie betont.
Das Wichtigste in Kürze
- Verspätungen sind nach Ankunft des Zuges in der SBB-App nicht mehr ersichtlich.
- Für die Interessensvertretung Pro Bahn Schweiz ist dies nicht nachvollziehbar.
- Die SBB löscht die Daten, weil sie sehr energieintensiv seien.
Nau.ch-Leserin Emma Künzli* (25) fährt mit dem Zug von Bern nach Basel. Der Zug ist massiv verspätet. «+ 30 Minuten» gibt die rot markierte Anzeige in ihrer SBB-Mobile-App während der Fahrt an.
In Basel angekommen, steigt sie aus dem Zug aus, wie sie erzählt. «Noch auf der Rolltreppe hoch zur Passerelle nimmt es mich Wunder: Wie gross war die Verspätung des Zugs jetzt eigentlich am Schluss?»
Die Studentin öffnet erneut ihre SBB-Mobile-App und stellt verdutzt fest: «Die Anzeige ist weg! Laut App war der Zug also zu keinem Zeitpunkt verspätet.»
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Auch auf der SBB-Website habe sie die Verspätung nicht mehr gefunden. Nur auf der eigenen SBB-Seite für Verspätungsbestätigungen sei sie eingetragen gewesen.
In der Folge achtet sich die Leserin bei Verspätungen. Und stellt fest: «Es ist wohl die Norm, dass die SBB Verspätungen nach Ankunft des Zugs aus der App löschen. Versucht sie etwa, sie so zu vertuschen?»
«Man kann sich rückwirkend kein Bild mehr machen»
Karin Blättli ist Präsidentin von «Pro Bahn Schweiz», der Interessenvertretung der Kundinnen und Kunden des öffentlichen Verkehrs. Sie kritisiert die Handhabe gegenüber Nau.ch: «Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb solche Informationen weggelöscht werden.»
Es gehe nicht nur um Verspätungen, so Blättli weiter. Gelöscht würden auch Zugausfälle, Umleitungen oder weitere während der Fahrt angezeigte Informationen, wie Sparbilletts. «Man kann sich rückwirkend kein Bild mehr machen.»
Die Organisation würde «es begrüssen, wenn all die Zusatzinformationen nach der Fahrt ‹eingefroren› würden», erklärt Karin Blättli. Sie sollten also auch rückwirkend jederzeit zur Verfügung stehen, so die Präsidentin. «Die Öffentlichkeit hat aus unserer Sicht Anspruch auf diese Transparenz.»
Speicherung von Echtzeitdaten laut SBB «energieintensiv»
Die SBB bestätigt auf Anfrage, dass Echtzeitdaten nur bis zur Ankunft eines Zuges am Ziel verfügbar seien.
Der Grund: Der Online-Fahrplan zeige Tausende ÖV-Verbindungen, nicht nur der SBB, in Echtzeit an. «Das ist sehr daten- und energieintensiv», begründet das Bahnunternehmen.
Echtzeitdaten zu speichern würde ein Vielfaches an Daten und Energie beanspruchen und wäre nicht nachhaltig, heisst es weiter.
Aber: «Eine Verspätung ist im Nachhinein bis zu 60 Tage abrufbar», erklärt ein Sprecher. Allerdings nur auf der SBB-Webseite, wenn man eine Verspätungsbestätigung anfordern will. Auf der App sind sie tatsächlich weg.
«So sind alle Kundenbedürfnisse abgedeckt», findet die SBB.
*Name von der Redaktion geändert