Schweizerin in Barcelona über die aufkeimende zweite Welle

Barcelona droht, von einer zweiten Coronawelle überrollt zu werden. Eine dort lebende Schweizerin erzählt aus der «neuen Normalität» der Tourismushochburg.

Anne Meulenbelt arbeitet und lebt seit fünf Jahren in Barcelona. - DPA, Instagram

Das Wichtigste in Kürze

  • Barcelona droht eine zweite Corona-Infektionswelle.
  • Eine dort lebende Schweizerin erzählt von der «neuen Normalität».
  • Einen zweiten Lockdown könne sich die Tourismushochburg kaum leisten, glaubt sie.

Es gab eigentlich Hoffnung für den spanischen Tourismus. Pünktlich auf den Sommer schien das Schlimmste der Coronakrise überstanden. Doch dann stiegen anfangs Juli die Neuinfektionen wieder an. Kurz darauf sprachen acht EU-Länder und die Schweiz erneut eine Reisewarnung für Spanien aus.

Leere Strassen in Barcelona, Spanien. - keystone

Für Ministerpräsident Pedro Sànchez ein Unding. Insbesondere die Entscheidung der Briten, welche einen grossen Teil der Touristen im Land ausmachen, sei absolut «unangemessen». Schliesslich hätten viele Gebiete in Spanien weniger neue Infektionsfälle als der europäische Durchschnitt und auch als Grossbritannien, ärgerte er sich.

«Neue Normalität» in Barcelona

Einige Länder, wie die Schweiz, hatten bei ihrer Quarantänepflicht für Rückkehrer explizit solche Gebiete wie Mallorca oder die Balearen ausgenommen. Keine Diskussion besteht aber bei der Tourismushochburg Barcelona. Katalonien gilt als potenzieller Ausgangspunkt einer zweite Welle.

Anne Meulenbelt kann das nachvollziehen. Die Schweizerin lebt und arbeitet seit fünf Jahren in Barcelona. Insbesondere im Viertel, in dem sie bis vor Kurzem wohnte, dem Barrio Gotico, sei die Coronakrise noch sehr präsent.

Durch die berühmten mittelalterlichen Gassen walzen keine Touristenmassen mehr. Die Läden im Erdgeschoss sind geschlossen, die wenigen, welche offen haben, sind leer. «Diese neue Normalität wird kaum ewig so weiter gehen können. Aber man macht das Beste draus».

Tourismus am Abgrund

Die erneute Maskenpflicht werde sehr ernst genommen, sagt die 28-Jährige. «Man ist sich das ja noch von dem Lockdown gewöhnt.» Dieser sei besonders am Anfang sehr streng gewesen. «Bis Ende Juni war das hier wie ein Polizeistaat, man wurde alle paar Meter von der Polizei kontrolliert».

Menschen spazieren entlang der Ramblas von Barcelona. Foto: Emilio Morenatti/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Emilio Morenatti

Das die Regierung nochmals zu solch drastischen Massnahmen greift, glaubt sie aber nicht. Die rund 30 Millionen Touristen, welche jährlich Barcelona besuchen, machen rund 12 Prozent des Stadt-BIPs aus. «Ich glaube nicht, dass sich die Wirtschaft einen solchen Lockdown nochmals leisten kann. Das ist jedenfalls der Tenor hier».

Das glaubt auch die spanische Tourismusbranche. Sie befürchtet bis zum Jahresende einen Verlust von bis zu 750'000 Arbeitsplätzen und einen Rückgang der Einnahmen um mehr als 50 Prozent oder 83 Milliarden Euro. Das rechnete der jüngst der Reiseunternehmerverband Exceltur in der Zeitung «El País» vor. «Dies ist der katastrophalste Sommer der vergangenen 50 Jahre», zitiert die Zeitung den Vizepräsidenten José Luis Zoreda.

Im September wird es Ernst

Das wirkliche Ausmass der Krise könne man aber erst im September abschätzen, denkt Meulenbelt. Denn im August seien die meisten Einheimischen selbst noch in den Ferien. Sie reisen in ihre Ferienhäuser im Norden oder auf den Balearen. Darum stehe jetzt sowieso alles still.

Die Spanier versuchen, ihre gebeutelte Gastronomie selbst am Leben zu halten. - Keystone

Die wenigen Restaurants, welche trotzdem noch geöffnet haben und auch bei den Einheimischen geschätzt werden, erleben aber jetzt eine Welle der Solidarität. «Es ist auffällig, wie oft die Einheimischen aktuell auswärts essen gehen», erzählt sie. «Das liegt einerseits sicher an ihrer Kultur, aber man will sich hier auch wirklich gegenseitig helfen.»