Trockener Alkoholiker: «In Weihnachtszeit hat es am meisten Trigger»
Egal ob Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt oder Rotwein beim Festessen – Alkohol ist zu dieser Jahreszeit allgegenwärtig. Für Süchtige ein grosses Problem.
Das Wichtigste in Kürze
- In der Weihnachtszeit fliesst auf Weihnachtsmärkten und Co. eine Menge Alkohol.
- Für Süchtige lauern somit überall mögliche Trigger.
- Ein Betroffener wünscht sich mehr Verständnis von der Gesellschaft.
In diesen Tagen öffnen die ersten Weihnachtsmärkte ihre Tore. Diese zu besuchen ist in der Adventszeit für Weihnachts-Fans ein Muss. Der ein oder andere Glühwein gehört dabei für viele einfach dazu. Auch bei der Weihnachtsfeier auf der Arbeit oder dem Festessen mit der Familie fliesst oft eine Menge Alkohol.
Während das Umfeld meist unbeschwert alkoholische Getränke konsumiert, stellt die Weihnachtszeit aber für Alkoholsüchtige eine grosse Herausforderung dar.
«Solche geselligen Anlässe sind für viele Leute ein Trigger. Die Versuchung ist relativ gross», erklärt Daniel*, ein trockener Alkoholiker, gegenüber Nau.ch.
Gefährlich: Für einen trockenen Alkoholiker reiche ein Schluck aus, um rückfällig zu werden. Und die Festtage stellen in diesem Zusammenhang eine besondere Herausforderung dar.
Denn: «Während der Weihnachtszeit gibt es am meisten Trigger. Man ist mit der Familie, wo gewisse Sachen auf den Tisch kommen. Vielleicht gibt es vor dem Essen noch ein Apéro. Das muss man als Süchtiger alles berücksichtigen.»
Alkoholkonsum gilt als gesellschaftliche Norm
Marianne Egli, Medienbeauftragte der Anonymen Alkoholiker, rät: «Wer ein Apéro oder ein Familienfest vorbereitet, tut gut daran, eine Auswahl an attraktiven alkoholfreien Getränken anzubieten. Denn Kinder, Jugendliche, aber auch trockene alkoholkranke Menschen oder Personen mit gesundheitlichen Problemen sollten oder wollen keinen Alkohol trinken.»
Massvoller Konsum von Alkohol gelte in der Schweizer Gesellschaft als Norm. «In vielen Situationen wird Alkoholkonsum quasi ‹erwartet›», erklärt Egli weiter. «Wer grundsätzlich oder punktuell nicht trinkt, wird oft dazu aufgefordert, sich zu erklären.»
Der betroffene Daniel erklärt: «Man hätte es als Süchtiger gerne, wenn das Umfeld bei geselligen Anlässen Verständnis hätte, dass man nichts Alkoholisches trinken will. Nein heisst nein», sagt er. Den äusseren Einflüssen, die die Lust auf Alkohol triggern, aus dem Weg zu gehen, sei schwierig.
Alkohol in sozialen Medien allgegenwärtig
Entsprechende Massnahmen oder Restriktionen – etwa auf Weihnachtsmärkten – sieht er jedoch kritisch: «Gewisse Kreise würden sich bevormundet fühlen. Der Normalkonsument kann mit solchen Einflüssen umgehen.»
Nicht nur im realen Leben, auch auf Social Media ist Alkoholkonsum allgegenwärtig. Viele stellen ihr Feierabendbier oder ihren Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt auf Instagram und Co. dar. Dass die sozialen Medien dies bekämpfen – etwa durch Triggerwarnungen – hält Daniel jedoch für «Wunschdenken».
Besorgniserregend: Anfang bis Mitte Januar, nach den Festtagen, verzeichnen die Anonymen Alkoholiker eine verstärkte Nachfrage nach Beratungsgesprächen und Anfragen. «Dann suchen viele Menschen Hilfe, weil sie merken, das Mass ist jetzt voll.»
Daniel sagt: «Ich rate jedem, der merkt, dass er ein Problem hat, dieses anzupacken. Es lohnt sich, wenn man wieder alles mit klarem Kopf sehen kann.»
*Name der Redaktion bekannt