Wegen Dieben: Kopierladen verrechnet jetzt Bostitch-Klammern einzeln

In einem Kopiergeschäft am Bahnhof Bern kostet Bostitchen neuerdings – pro Klammer. Es herrscht Frust, weil Leihmaterial oft nicht zurückkommt.

Ein Berner Kopiergeschäft verrechnet jetzt einzelne Bostitch-Klammern. Die Kunden reagieren darauf teilweise negativ – doch der Laden spricht von einer Diebstahl-Massnahme. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • In einem Berner Kopiergeschäft ist man gefrustet.
  • Ständig kommen Gegenstände im Laden weg oder werden kaputt zurückgegeben.
  • Als Massnahme hat der Laden deshalb eine Bostitch-Gebühr eingeführt.

«Bei uns kostet der Gebrauch des Bostitchs neuerdings 10 Rappen», sagt Monika Schor zu Nau.ch. Sie ist Filialleiterin beim Kopiergeschäft Copyquick im Bahnhof Bern. Die Gebühr pro Klammer sorgt für Kritik – doch dafür gibt es einen guten Grund, betont Schor.

«Natürlich wäre es auch für uns einfacher, wenn solche Massnahmen nicht nötig wären. Leider lässt die Kundschaft am Bahnhof Bern das kaum zu.»

Denn: Das Geschäft leihe Materialien wie Stifte, USB-Sticks oder eben Bostitchs aus. «Aber in letzter Zeit beobachten wir vermehrt, wie diese Materialien anschliessend defekt oder nie wieder zurückgebracht werden.»

Die Einführung der 10-Rappen-Gebühr sei lediglich eine Zwischenlösung. «Wir erhoffen uns dadurch einen sorgfältigeren Umgang mit den Leihmaterialien.» Die gewünschte Signalwirkung ist also: Der Kundschaft soll klar sein, dass die Materialien nicht gratis sind.

Trinkgeld-Kässeli-Dieb auf Kamera festgehalten

Neben kleinerem Büromaterial seien auch schon wertvollere Gegenstände verschwunden. «Zum Beispiel wurde ein Laptop oder unsere Trinkgeldkasse mit etwa 100 Franken geklaut.»

Ein Screenshot von Videoüberwachungsaufnahmen, die der Laden Nau.ch zur Verfügung stellt, zeigt tatsächlich, wie eine Person das Kässeli mitnimmt.

«Die Diebstähle wurden in beiden Fällen erst später bemerkt und daher nicht der Polizei gemeldet.» Doch: Besuche die Person die Filiale erneut, werde ihr Hausverbot erteilt, lässt das Kopiergeschäft verlauten.

Polizei meldet mehr Diebstähle am Bahnhof Bern

Die Diebstahl-Serie im Laden ist kein Zufall: Der Bahnhof Bern ist ein kleiner Crime-Hotspot.

Philipp Gasser von der Kantonspolizei sagt zu Nau.ch: «Tendenziell haben wir in den letzten Jahren mehr Meldungen zu Diebstahlsdelikten im Gebiet Bahnhof Bern erhalten.»

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Hinzu komme noch eine gewisse Dunkelziffer, die nicht bemerkt oder gemeldet wurden. «Bahnhöfe sind grundsätzlich Gebiete mit einer hohen Dichte an Personen, Gepäckstücken und auch Ladenflächen. Entsprechend gehen auch öfters Meldungen zu Diebstählen ein.»

Bostitch wird fast überall verrechnet

Diebstähle beiseite – mit der Bostitch-Gebühr ist der Berner Laden nicht allein. Beim Scali Copy Shop in Basel zum Beispiel wird es genau gleich gehandhabt. So würden Materialkosten und Arbeitszeit gedeckt, sagt Inhaberin Daliborka Skalic zu Nau.ch.

Und es sei branchenüblich. In einem Zürcher Kopierladen, der nicht namentlich erwähnt werden möchte, heisst es auf Anfrage, es komme darauf an. Einfach kurz selbst bostitchen ist gratis.

Bostitch-Klammern werden in vielen Kopiergeschäften verrechnet. (Archivbild) - keystone

Bestelle man aber 20 Seiten 50fach geheftet, dann koste das 10 Rappen pro Heftung. «Der Grund dafür: die Haftung wird maschinell durch den Printer gemacht. Das verlangsamt den Auftrag, was sich negativ auf die Produktivität auswirkt.»

Zudem müssten die automatischen Heftklammern beim Lieferanten für teures Geld eingekauft werden. Nur eines der angefragten Geschäfte, der Tricolor Print and Copy Shop in Basel, verrechnet das Bostitchen nicht.

Mini-Gebühr «kleinlich»

Bruno Lötscher vom Hirschmatt Copy Shop in Luzern erklärt, dass alle die Klammern verrechnen. «Halt selten ausgewiesen», meint er.

Das hat seinen Grund. Konsumpsychologe Christian Fichter von der Fachhochschule Kalaidos erklärt bei Nau.ch: «Ich würde von der Bostitch-Gebühr abraten. Es wirkt kleinlich und unprofessionell und könnte durchaus zu Belustigung oder gar Unmut führen.»

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Nein, für bezahlende Kundschaft im Laden sollte das gratis sein.
40%

Diese «Erbsenzählerei» könne die Kundenzufriedenheit mindern und möglicherweise gar die Kaufentscheidung negativ beeinflussen. «Stattdessen empfiehlt sich eine Strategie, bei der alle Kosten in einem Gesamtpreis zusammengefasst werden.»

Auch, dass die Kundschaft durch die Massnahme mehr Sorge zum Material trägt, bezweifelt er. Im Gegenteil: «Es könnte den Eindruck erwecken, dass mit der Zahlung das Recht erworben wird, das Material zu behalten. Dies kann sogar zu mehr Mitnahmen führen.»