Zürcher Künstlerin drehte Film in trockengelegtem Verzasca-Stausee
Die Entleerung des Stausees im Tessiner Verzascatal war das fehlende Puzzleteil: Auf dem temporär trockengelegten Seegrund entdeckte die Zürcher Künstlerin Ana Hofmann eine lange gesuchte Location – und drehte einen Kunstfilm.
Das Wichtigste in Kürze
- Karg, dürr, leblos, so könnte unser Planet einmal aussehen.
In der Landschaft, die zum Vorschein kam, als der Stausee im Verzascatal 2021 zum ersten Mal seit dessen Bau vor rund 60 Jahren entleert worden ist, erkannte Ana Hofmann ihre Vorstellung von einer postapokalyptischen Welt wieder. Und wusste sofort, dass dies der Schauplatz von «Hyper Zone», ihrem Kunstfilm zu den Themen Neuanfang, Transformation und indirekt auch zum Klimawandel, werden würde. Er ist vom 23. Oktober bis 4. November im Offspace «Material» in Zürich zu sehen.
In dem rund 25-minütigen Werk (kuratiert von Oliver Rico), dessen Idee schon lange vor der Entdeckung des perfekten Schauplatzes entstanden war, zeigt die freischaffende Künstlerin und Fotografin, wie konservierte Menschen in einer postapokalyptischen Welt erwachen. Das Wasser ist knapp, die Bäume sind ausgetrocknet, am Boden liegt trockener Staub und Insekten hat es keine mehr. Dennoch schöpfen die Charaktere Hoffnung, in dem sie nach neuen Lebensformen und Identitäten suchen.
Männer verwandeln sich in andere Männer, Frauen in Frauen, Männer in Frauen und umgekehrt. Alles ist im Wandel, die Kostüme, die Landschaft - selbst der Ton verändert sich «vom komplexen Soundteppich hin zu etwas Minimalistischem, Hölzigem, Erdigem», drückt Hofmann es im Interview mit Keystone-SDA aus.
Der Sound ist ein zentrales Element im Film, und eines der faszinierendsten zugleich. Er wurde nicht etwa mit einem Mikrofon aufgenommen, sondern digital erzeugt. «Dieses Hochkonstruierte hat mich sehr gereizt. Und ebenso die teils leichte Asynchronität des Sounds, dank der er losgelöst vom Bild auch als eigene Dimension wahrgenommen werden kann.»
«Hyper Zone» ist ein Hybrid zwischen professioneller Kinoästhetik, sehr experimentellem Narrativ und einer komplett eigenen Form, die in keinem bestimmten Genre verortbar ist. «Ich mag es, wenn ein Kunstwerk verführen kann», so die Künstlerin. «Und ich erhoffe mir, dass der Film ein möglichst heterogenes Publikum anspricht.»
Ana Hofmann hat keine Lust, unzugängliche Kunst zu machen. Es müsse aber trotz allem etwas Konzeptionelles dahinterstecken. Etwas, das das Publikum zum Nachdenken und Rätseln anregt. Sie erachtet es als wichtig, dass Kunst auch politisch sein kann oder dass der Künstler oder die Künstlerin eine Haltung, eine Vision hat und damit zu einem Diskurs anregt.
Und eben, «Hyper Zone» behandelt ökologische aber auch gesellschaftliche Themen. Ana Hofmann hat vor dem Kunststudium neben Filmwissenschaften auch Soziologie und Politikwissenschaften studiert.
Der Film wirft die Frage nach dem Neudenken auf und beschäftigt sich mit der Notwendigkeit einer grundsätzlichen Umstellung der Anbaumethoden und der Lebensart in einer von Hitze, Dürre und Wassermangel dominierten Welt. Die Menschen im Kontext des sich verschärfenden Klimawandels in dieser dystopischen Landschaft zu sehen, stimmt auf jeden Fall nachdenklich.
«Ich wollte keinen Film mit einem negativen Ende machen», so die Künstlerin. Die Hoffnung ist ein sehr wichtiger Baustein des Projekts. Erkennbar wird diese allem voran in den Pflanzen, die gegen Ende frisch und saftig aus der trockenen Erde spriessen, oder der Biene auf der Hand eines Protagonisten.
Die Zuversicht basiert aber auch auf der Neugier der Künstlerin für «andere Intelligenzen» oder anders gesagt: der Überzeugung, dass diese existieren und wir von ihnen lernen können. Hofmann träumt davon, dass «die Menschen sich mehr in einer Allianz mit anderen Organismen und Nicht-Organismen sehen». Mit Pilzen, Pflanzen, Mineralien. Es sei auch ihr Ansatz als Künstlerin, sich mehr als Kollaborateurin anstatt als einzelne Akteurin zu sehen.
Letztlich war die Entdeckung der über Jahrzehnte überfluteten Stauseelandschaft sinnbildlich für diese Hoffnung. Die Kastanienbäume, die die Filmcrew da gefunden hat, waren zwar mit Lehm überzogen – «ich nenne es mumifiziert» –, erzählt Ana Hofmann. Unter der Dreckschicht, seien die Bäume jedoch «in ihrer vollen Leuchtkraft» zum Vorschein gekommen.
www.anahofmann.photo