Zürcher werden wegen Genossenschaften reicher
Zürcher Genossenschaften reissen alte Wohnungen ab und bauen neue Siedlungen. Sie vertreiben damit die Unterschicht aus der Stadt, kritisiert der Mieterverband.
Das Wichtigste in Kürze
- In letzter Zeit fielen vermehrt günstige Genossenschaftswohnungen Neubauten zum Opfer.
- Jetzt hagelt es Kritik vom Zürcher Mieterverband.
- Sie wirft den Genossenschaften Gentrifizierung vor.
4821 Wohnungen haben die Zürcher Genossenschaften zwischen 2005 und diesen Juni abgerissen. Das zeigen neuste Zahlen von Statistik Stadt Zürich. Ersetzt werden vor allem Siedlungen aus den 20er- bis 40er-Jahren. Die alten Wohnungen entsprächen nicht mehr den heutigen Vorstellungen – sie seien zu klein und zu ringhörig, schlecht isoliert und der Lift fehle, rechtfertigen sich die Genossenschaften.
Die Ersatzneubauten haben aber nicht nur Vorteile: Meist fallen die Kosten danach doppelt so teuer aus. Mieter werden dadurch gezwungen, aus Zürich wegzuziehen oder staatliche Hilfe zu beantragen.
«Ersatzneubauten haben eine sehr lange Vorlaufzeit von bis zu zehn Jahren», sagt Stefan Weber-Aich vom Regionalverband der Zürcher Genossenschaften zum «Tages-Anzeiger». So bleibe genug Zeit, um den Betroffenen intern eine andere Lösung anzubieten.
«Auswechslung der Bevölkerung»
Die Argumente reichen Walter Angst, AL-Gemeinderat und Sprecher des Mieterverbandes, nicht aus: «Der Preisunterschied bleibt hoch, Ersatzneubauten führen in der Regel zu einer Auswechslung der Bevölkerung», sagt er zur Zeitung. Verdrängt würden Menschen mit wenig Ressourcen, ärmere, ältere oder wenig integrierte ausländische Bewohner. An ihrer Stelle würden gebildete, reichere und in Zürich heimische Haushalte die Neubauprojekte beziehen.
Weniger Abreissen ist seine Devise. Bei grossen Projekten sollten Genossenschaften demnach einen Teil der Liegenschaften stehen lasse und lediglich modernisieren. Um mehr Wohnraum zu schaffen, könnten bisherige Gebäude ergänzt und neue Häuser dazugestellt werden.
Dem widerspricht Reto Betschart, Geschäftsführer zweitgrössten Zürcher Genossenschaft Asig: «Mit Aufstockungen und ein paar Häusern mehr können wir nicht so viel zusätzlichen Wohnraum schaffen wie mit Ersatzneubauten.» Genossenschaften seien dazu verpflichtet, ihren Boden möglichst gut zu nutzen.