Balthasar Glättli (Grüne): So schaffen wir es aus der Krise

Die Parteipräsidenten schreiben in Gastbeiträgen für Nau.ch, worauf es 2021 ankommt. Heute verrät Grünen-Chef Balthasar Glättli sein Anti-Corona-Rezept.

«Wir müssen grüner und sozialer aus der Krise kommen, mit einem Green New Deal.»: Der Präsident der Grünen, Balthasar Glättli, zieht Ende 2020 Bilanz und schaut aufs neue Jahr voraus. - sda - KEYSTONE/ENNIO LEANZA

Das Wichtigste in Kürze

  • Vor dem Jahreswechsel bestimmt das Coronavirus die Schweizer Politik.
  • Grünen-Präsident Balthasar Glättli will die wirtschaftlichen Konsequenzen abfedern.
  • Doch auch die Klimakrise dürfe nicht vergessen gehen, schreibt er im Gastbeitrag.

Wer hat vor einem Jahr geahnt, wie stark das Jahr 2020 geprägt sein würde durch die Corona-Pandemie? Wer hätte sich einen Shutdown vorstellen können, wie wir ihn im Frühling erleben – zusammen mit einer Welle von Solidarität und Hilfsbereitschaft?

Wer hätte gedacht, dass die Kantone, welche bald lautstark mehr Verantwortung einforderten, danach Monate mit tiefsten Fallzahlen im Sommer nicht nutzten, um sich angemessen auf Szenarien vorzubereiten und darum überfordert und unkoordiniert in eine viel schlimmere zweite Welle stolperten?

Das Medizinpersonal ist in der Schweiz wegen des Coronavirus derzeit stark gefordert. - Keystone

Ich bin wohl nicht der Einzige, der sich in den letzten Monaten und Wochen oft Sorgen machte … auch um den Zusammenhalt in unserem Land, und den Respekt vor unserem Verfassungsmotto, dass sich die Stärke des Volks am Wohl der Schwächsten misst. Die Vergangenheit können wir nicht ändern. Aber wir können die Zukunft klüger und solidarischer gestalten.

«Schützen. Stützen. Und Zukunft schaffen.»

In der Corona-Krise hat sich die Schweizer Politik in den letzten Monaten um zwei Themen gekümmert – intensiv, aber auch oft zu wenig rasch und konsequent. Der erste Schwerpunkt war das «Schützen» – also epidemiologisch begründete Massnahmen rasch umsetzen, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen.

Leider wurden hier die Argumente der Wissenschaft zu wenig und zu spät gehört. Obwohl die allermeisten Volkswirtschafter klarmachten, dass auch die Wirtschaft dann am meisten leidet, wenn es nicht gelingt, das Virus rasch in Kontrolle zu bringen, musste in der zweiten Welle jede neue Massnahme gegen den erbitterten Widerstand der bürgerlichen Parteien und vieler Kantone erkämpft werden.

Innenbereiche der Restaurants bleiben noch lange geschlossen (Symbolbild). - Keystone

Der zweite Schwerpunkt war das «Stützen» – also wirtschaftliche Unterstützung für die Menschen und Betriebe schaffen, deren materielle Grundlage gefährdet ist oder gar ganz wegzubrechen droht. Hier gelang es uns Grünen, Schritt um Schrittchen zu machen hin zum Ziel, das wir bereits im Frühling formuliert hatten: Niemand darf zurückgelassen werden. Viel haben wir erreicht. Aber viel Unsicherheit bleibt, gerade bei der kantonalen Umsetzung der Härtefall-Unterstützung.

Andere Länder nutzen Corona für einen Green New Deal

Bislang vollkommen verpasst wurde aber ein dritter Punkt: Die Chance, die Krise auch als Chance für eine ökologische und soziale Transformation zu verstehen. Wir haben es verpasst, in die Zukunft zu investieren! Wir Grüne forderten bereits im Frühjahr Impulsprogramme zur Stärkung einer resilienten, also einer krisenfesteren Wirtschaft und Gesellschaft und für die Bereiche Energie und Biodiversität.

Beides lehnt der Bundesrat ab. Ebenso unsere Forderung, das Covid-Kreditprogramm zu verlängern und auf Investitionen in die Energiewende zu fokussieren. Diesen Herbst haben wir Grüne einen neuen Anlauf genommen und einen kompakten Drei-Punkte-Plan vorgestellt, um Klimaschutz-Jobs, Zukunfts-Jobs und Care-Jobs zu schaffen.

Balthasar Glättli fordert, dass sich die Schweiz besser auf die Klimakrise vorbereite. Hier trifft er sich im Sommer mit Klima-Aktivisten auf dem Bundesplatz. - Keystone

Denn für uns Grüne ist klar: Wir stehen als Politikerinnen und Politiker in der Verantwortung, eine Zukunft zu ermöglichen für die Betroffenen von Kurzarbeit und Stellenabbau, welche gleichzeitig mithilft, unsere Gesellschaft ökologischer und sozialer zu machen. Bereits haben viele andere Länder solche Impulsprogramme lanciert.

Unter dem Titel Green New Deal, Green Deal oder Green Recovery – also Grüne Erholung – haben sie damit den Kampf gegen Corona kombiniert mit wirtschaftlichen Impulsprogrammen und Investitionen in die ökologische Wende. Als Grüne werden wir im 2021 weiter dafür kämpfen und auch in der Schweiz Partner für eine solche lösungsorientierte, ökologische und soziale Politik suchen.

Die Lehre: Auf die Klimakrise besser vorbereitet sein!

Eine Lehre aus dem Corona-Jahr bleibt: Nicht jede Krise kennt man im Voraus – und deshalb kann man sich auch nicht immer angemessen vorbereiten. Sträflich und unverantwortlich aber ist es, sich nicht nach bestem Wissen und umfassend auf jene Krisen vorzubereiten, von denen man weiss, dass sie kommen, oder dass man bereits mittendrin ist.

Das gilt für die zweite und die dritte Corona-Welle. Aber ebenso sehr gilt das auch für die Klimakrise, die wegen Corona kein bisschen an Dringlichkeit abgenommen hat!