Coronavirus: Die Corona-Sorgen der Zürcher Kids

Unser Gastautor hat Einblick in Anna-Lenas Lockdown-Tagebuch. Begleiten Sie die junge Dame in die Isolation.

Gastautor bei Nau.ch: Reda El Arbi. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
  • Reda El Arbi erlangte als Blogger beim «Tagesanzeiger» Bekanntheit.
  • Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
  • Er lebt mit Frau und Hund in Stein am Rhein SH.

Liebes Tagebuch

heute ist der erste Tag, an dem wir, also ich und Benni, mein kleiner Bruder, nicht in die Schule dürfen. Aber wir machen uns keine Sorgen. Unsere Lehrerin, Frau Ahtemi, hat uns genug Aufgaben mitgegeben, und wir können per Whatsapp Fragen stellen.

Mama hat aber einen anderen Plan. Sie hat sich die Haare zu einem Dutt zusammengebunden und will uns «Homeschoolen». Sie lächelt dauernd und wirkt wie eine etwas unheimliche Mary Poppins auf Drogen und lässt uns Tiernamen raten, Rechnungen für 6-Jährige lösen und erklärt uns, warum Blumen wachsen. Das alles ist etwas gfürchig, aber Frau Ahtemi hat uns darauf vorbereitet. Sie meinte, wir müssten stark sein und unseren Eltern das Gefühl geben, sie seien nützlich.

Das wars für heute, bis morgen, liebes Tagebuch.

Deine Anna-Lena

Die Corona-Sorgen der Zürcher Kids dürften auch ihre Eltern sein. - iStock cc

Liebes Tagebuch

heute hatte Papa «Homeschoolen»-Dienst. Das war super. Er hat uns drei Dokumentationen auf Netflix herausgesucht, die wir am Morgen schauen konnten. Wir haben das natürlich nicht gemacht, aber da wir vor dem Computer sassen, konnten wir unsere richtigen Schulprojekte endlich anfangen.

Benni hat gestern Abend noch das Hausnetzwerk eingerichtet, damit Papa TV schauen konnte, während Mama ihren sozialen Pflichten nachkam. Das war lustig! Sie und alle ihre Freundinnen haben sich um Punkt Acht Uhr vor dem Computer getroffen und gemeinsam angestossen und geplaudert. Benni und ich hatten unsere Ruhe.

Bis Morgen!

Deine Anna-Lena

Das Kind ins Büro mitnehmen? Bei Nestlé ist das möglich. (Symbolbild) - Keystone

Liebes Tagebuch

gestern konnte ich leider nicht schreiben, weil mein Tablet kaputt war. Papa hat es aus dem Fenster geworfen, weil der Sohn von Herrn Anderegg, das ist unser Nachbar, unten an der Haustür geklingelt und gefragt hatte, ob er für uns einkaufen könne. Weil Papa sei ja nicht mehr der Jüngste und etwas von Solidität mit den Senioren. Danach war Papa wütend und ist mit dem Hund spazieren gegangen. 4 Stunden lang. Benni hat dann das Tablet geholt und es über Nacht wieder geflickt.

Heute hat Mama schon um 10 Uhr ihr erstes Online-Treffen mit den Freundinnen, damit die nicht vereinsamen. Mama ist sehr sozial. Aber vielleicht muss der Sohn von Herrn Anderegg bald Wein für uns einkaufen. Benni meinte, der Vorrat würde mathematisch nicht bis zum Ende der Schulschliessung reichen.

Das wars auch schon für heute.

Deine Anna-Lena

Die Volksschulen bleiben im Zuge der Coronakrise geschlossen. - Keystone

Liebes Tagebuch

heute ist super. Nachdem sich Papas Chef und Papa über Skype angeschrien haben, hat Papa endlich wieder seinen Arbeitsrhythmus gefunden und will nicht gestört werden. Mama hat den Weisswein zur Seite gestellt und schreibt an einem Buch über Kindererziehung.

Phu. Endlich beschäftigen sie sich wieder mit sich selbst und Benni und ich haben unsere Ruhe. Frau Ahtemi hat uns zwar gewarnt, dass es schwierig werden wird, aber die ersten paar Tage mit unseren überforderten Eltern waren schon sehr anstrengend.

Jetzt können Benni und ich unseren Schulstoff aufarbeiten, und unsere Zeit sinnvoll nutzen. Mittags stellen wir Mama und Papa einfach Fertigpizza oder sonst was zu essen hin, und sie lassen uns in Ruhe.

Benni hat Papa sein altes Fussball-Manager-Game auf dem grossen Desktop installiert und für Mama Zoom-Teamtalk auf den Fernseher gelegt. So können wir abends in Ruhe ein Buch lesen oder ein Spiel machen, während die Erwachsenen absorbiert sind.

Wir werden den Lockdown ohne Schaden für unsere zarten Psychen überleben!

Bald mehr!

Deine Anna-Lena

Zum Autor: Reda El Arbi ist 50-jährig, kommt aus Zürich und zog vor einigen Jahren nach Stein am Rhein. Grosse Bekanntheit erlangte er mit seinem Zürcher «Stadtblog» für den «Tagesanzeiger». El Arbi schreibt unverblümt, hat zu allem eine Meinung und polarisiert auch gern. Er ist verheiratet und lebt mit Frau und Hund in Stein am Rhein SH.