Genervt von Klima? Jetzt wird’s richtig unangenehm

Mehr Pflanzen statt Fleisch – fürs Klima. Schon genervt davon? Kolumnistin Mirjam Walser bringt einen Aspekt ins Spiel, den viele noch unbequemer finden werden.

Mirjam Walser ist Kolumnistin auf Nau.ch - Meryl Vogel - Portraitmacher

Das Wichtigste in Kürze

  • Klima und Gesundheit sind die Hauptgründe, warum wir weniger Fleisch essen sollten.
  • Nau.ch-Kolumnistin Mirjam Walser findet aber, dass wir dabei das Tierleid vergessen.
  • Diesen Aspekt verdrängen wir gerne, denn er ist unangenehm.

Man hört es ständig – manche nerven sich bereits darüber: Mehr Pflanzen statt Fleisch essen, der Gesundheit und Umwelt zuliebe. Supermärkte werben mit veganen Produkten wie Soja-Würstchen, Hafermilch oder Erbsen-Geschnetzeltem und präsentieren sich dabei als besonders klimafreundlich. Ok, wir haben es verstanden.

Was früher noch völlig abwegig war, ist heute für viele Alltag. Herr und Frau Schweizer lassen mehrmals die Woche Fleisch links liegen und greifen zu veganen Alternativen. Sogar in Bundesbern wird festgehalten: Eine vermehrt pflanzliche Ernährung ist gut für das Klima und die Umwelt.

Umfrage

Bist du genervt von Aussagen wie «Weniger Fleisch fürs Klima» oder «Mehr Pflanzen für die Gesundheit»?

Ja, es nervt einfach!
69%
Nein, ich finde das wichtig.
27%
Es ist mir bis anhin gar nicht aufgefallen.
5%

So weit, so gut. Aber: Irgendetwas fehlt, oder? Es fühlt sich fast so an, als würden wir ständig um den eigentlichen Kern des Problems herumschleichen …

Wer hat Angst vor dem Elefanten?

Es ist, als hätten wir Angst davor, das Offensichtliche anzusprechen. Wir verstecken den Elefanten im Raum hinter einem Vorhang an Schlagworten, die uns gut fühlen lassen: Einmal pro Woche weniger Fleisch für die Umwelt, mehr Pflanzliches für das eigene Wohlbefinden, mit Erbsen und Hafer das Klima retten.

Doch schiebt man den Vorhang beiseite, zeigt sich, was wir gerne verdrängen. Achtung, das wird unangenehm: das Leid der Tiere.

Masthühner werden teils zu Tausenden in engen Ställen gehalten – auch in der Schweiz. Ein enormer Stress für jedes einzelne der Tiere. - Tier im Fokus (TIF)

Während diskutiert wird, ob es nun okay ist, zweimal pro Woche Fleisch zu essen oder ob Biofleisch und regionale Produkte besser sind fürs Klima, fristen Milliarden von Tieren ein trauriges Leben in beengten Ställen.

Allein in der Schweiz werden jedes Jahr 83 Millionen Tiere geschlachtet. Dass diese Millionen Hühner, Kühe und Schweine nicht alle fröhlich auf grünen Bergwiesen herumspringen können, ist angesichts der hohen Zahl einleuchtend.

Jedes Stück Fleisch auf dem Teller bedeutet den Tod eines Tieres – egal ob Bio oder vom «Bauern um die Ecke». Für jedes Stück Käse und jeden Schluck Milch wird eine Kuh benötigt, die in einem beengten Stall lebt – und das gilt leider für die Mehrheit der Tiere, auch in der Schweiz, trotz strengem Tierschutzgesetz.

Fröhliche, körnlipickende Hühner? Von wegen!

Aber: Es fällt uns schwer, über das Leid der Tiere zu sprechen. Wer möchte schon mit der unbequemen Wahrheit in den Schweizer Ställen konfrontiert werden? Wer noch glaubt, dass Schweizer Hühner fröhlich Körnli unter blauem Himmel picken und Schweine sich unbeschwert im Schlamm suhlen, sollte sich die Videodokumentation der Organisation «Tier im Fokus» ansehen. Auch der «Kassensturz» von SRF berichtete darüber. Die Realität hat wenig gemein mit der heilen Welt aus der Werbung.

Die Realität in vielen Schweizer Ställen hat oft nichts mit den schönen Werbeversprechen einer «artgerechten» Tierhaltung zu tun. - Tier im Fokus (TIF)

Zu überlegen, was das Steak auf dem Teller mit dem Tier dahinter zu tun hat, ist unbequem. Niemand will dafür verantwortlich sein, dass Tiere leiden. Da lenkt man lieber auf Umwelt und Gesundheit – da lässt sich ja leicht etwas Gutes tun.

Weniger Fleisch, bio und saisonal einkaufen: alles gut für die Umwelt. Doch das Tier muss trotzdem sterben, egal wie nachhaltig die Produkte vermarktet werden.

Todesursache: Genuss

«Ist halt der Kreislauf der Natur», mögen manche jetzt denken. Klar, aber: Schweizer Milchkühe landen schon mit sechs Jahren im Schlachthof, obwohl sie 20 werden könnten. Masthühner? Nach gerade mal sechs Wochen ist Schluss, obwohl sie locker acht bis 15 Jahre schaffen könnten. Todesursache: Genussmoment für den Menschen. Ist das wirklich der natürliche Kreislauf?

Kühe können bis zu 20 Jahre alt werden. In der industriellen Tierhaltung sind ihnen nur wenige Jahre vergönnt. - Depositphotos

Die harte Realität hinter den schönen Werbeversprechen von Fleisch, Milch und Eiern ist alles andere als angenehm. Kein Wunder, dass sie von allen Seiten verdrängt wird.

Doch eigentlich liesse sich auch damit super Werbung machen: «Heute schon ein Huhn gerettet? Pflanzliche Pouletnuggets, zwei Packungen zum Preis von einer!» Und da kann man sich gleich dreifach gut fühlen: für die Gesundheit, die Umwelt – und die Tiere.

Lohnt sich also doch, an die Tiere zu denken.

Zur Person: Mirjam Walser (38) schreibt auf Nau.ch regelmässig zum Thema Veganismus und Tierrechte. Als Coach und Gründerin der Vegan Business School ist sie Expertin für veganes Unternehmertum und vegane Innovationen.