Neue Flexibilitäts-Studie sorgt für Zoff zwischen SGB & Arbeitgeber

Eine neue Studie im Auftrag der Arbeitgeber stellt fest, dass die Angestellten mehr Flexibilität wollen. Doch die Resultate werden unterschiedlich gelesen.

Flexible Arbeitszeiten können für Arbeitnehmende von Vorteil sein. Das soll eine neue Studie verdeutlichen. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Arbeitnehmende wünschen sich mehr Flexibilität, zeigt eine neue Sotomo-Umfrage.
  • Die Arbeitgeber schliessen daraus, dass es kein strengeres Arbeitsgesetz braucht.
  • Der Gewerkschaftsbund interpretiert die Studie anders – und sieht darin ein Eigentor.

Anfang Woche veröffentlichte der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) eine neue Studie. Das Ergebnis der von Sotomo durchgeführten Umfrage: Flexible Arbeitszeiten sind für die Arbeitnehmenden von Vorteil. Sie führen zu weniger Stress und höherer Zufriedenheit, schreibt der SAV in der dazugehörigen Mitteilung.

Arbeit und Freizeit gehen bei den Befragten zwar oft ineinander über. Diese Vermischung werde aber nicht als belastend wahrgenommen. Damit stünden die Ergebnisse «im deutlichen Widerspruch» zu einer häufig von Gewerkschaften vertretenen These. Diese würden nämlich argumentieren, dass flexible Arbeitszeiten zwingend zu einer belastenden Vermischung führen.

Stefan Heini, Leiter Kommunikation beim Arbeitgeberverband. - SAV / Rob Lewis

Der Arbeitgeberverband ist der Ansicht, dass die Studie ein Bedürfnis nach weniger Regulierung zeige. Für Kommunikations-Chef Stefan Heini zeigen die Studienergebnisse eines deutlich: «Dass zusätzliche gesetzliche Einschränkungen in Bezug auf die Arbeitszeitflexibilität klar entgegen den Interessen der Arbeitnehmenden wären.»

Die Flexibilität nehme eine zentrale Rolle für die Zufriedenheit der Arbeitnehmenden ein. Für Heini ist klar: «Das Arbeitsgesetz muss diesem Umstand gerecht werden.»

Arbeitnehmer wollen mehr Autonomie von Arbeitgebern

Auf der gewerkschaftlichen Seite werden die Ergebnisse derweil ganz anders interpretiert. Beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) staunt man über die Arbeitgeber-Studie. Denn die Resultate seien eher gute Argumente für die Arbeitnehmerseite.

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Zentralsekretär Luca Cirigliano sagt gegenüber Nau.ch: «Die Studie ist eigentlich eine Umfrage darüber, was die Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern wollen.»

Denn die Angestellten würden sich mehr Autonomie wünschen, sagt Cirigliano: «Sie empfinden, dass die Arbeitgeber heute ihren Wünschen bezüglich Arbeitszeiten und Arbeitsort nicht genug entgegenkommen.»

Die Tendenz gehe derzeit immer mehr in Richtung der Arbeitgeber. Die «Top-Down-Kultur» werde stärker. Das zeigt sich laut Cirigliano beispielsweise am «WC-Urteil», das kürzlich für Aufsehen sorgte. Arbeitgeber haben das Recht, Angestellte bei WC-Pausen ausstempeln zu lassen, urteilte das Neuenburger Kantonsgericht.

Viele Arbeitnehmer hätten genug davon, dass ihre Arbeitgeber «über sie verfügen», so Cirigliano. «Die Arbeitgeber hingegen wollen Flexibilität, ‹ihre Arbeitnehmer› so einzusetzen, wie es ihnen als Arbeitgeber passt.»

SGB: Studie ist «Schuss ins eigene Knie»

In diesem Unterschied steckt aus der Sicht des SGB die Krux. Denn in der Studie werde der Autonomiewunsch der Arbeitnehmer abgefragt. Dies werde dann als Unterstützung für die Arbeitgeber-seitige Flexibilität gelesen.

Dabei seien das «zwei ganz verschiedene Dinge», wie Cirigliano ausführt. Denn die Arbeitgeber-seitige Flexibilität sei entweder gar nicht abgefragt oder abgelehnt worden. Beispielsweise sprach sich eine Mehrheit in der Studie gegen Arbeit am Abend aus.

Luca Cirigliano ist Zentralsekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds. - keystone

Für den SGB-Zentralsekretär ist deshalb klar: Die Sotomo-Studie bestätige eher Forderungen und Analysen der gewerkschaftlichen Seite. Für den Arbeitgeberverband sei die Umfrage «ein Schuss ins eigene Knie».

Dass man versuche, die Ergebnisse anders zu interpretieren, könne mehrere Gründe haben. «Entweder ist das naiv vom SAV, oder man versucht, die Öffentlichkeit über den Tisch zu ziehen.» Letzteres wäre dann eine «Vorspiegelung falscher Tatsachen», sagt Cirigliano.

Arbeitgeber kontern: SGB ist gegen Wünsche der Arbeitnehmer

Der SAV hat wenig Verständnis für das Fazit der Gewerkschaften. Schon nur die Unterscheidung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-seitiger Flexibilität sieht man kritisch. Heini sagt: «Die flexible Handhabung am Arbeitsplatz basiert auf einer Abmachung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden und bedingt, dass dies beide Parteien wünschen.»

Für den Arbeitgeberverband ist klar: Flexibilität geht nur, wenn beide Seiten es wollen. - keystone

Die beiden Seiten sind bei diesem Thema also aus der Sicht der Arbeitgeber keine Gegenspieler: «Flexibilität wird in der Regel im gegenseitigen Einverständnis – stillschweigend oder explizit – zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgeber vereinbart.»

Das Eigentor erzielt laut dem SAV eher der SGB. «Der SGB vertritt den Standpunkt, man müsse die Arbeitnehmenden vor sich selbst schützen und spricht sich damit gegen Flexibilität und die Wünsche der Arbeitnehmenden aus», so Heini.