Novartis hat Stimmgeheimnis bei Aktionären umgangen
Stimmzettel der Novartis-Aktionäre landen direkt beim Pharmakonzern statt beim unabhängigen Stimmrechtsvertreter. Das zeigt eine Recherche.
Das Wichtigste in Kürze
- Die «Rundschau» hat einen Peilsender in ein Abstimmungs-Couvert der Novartis platziert.
- Demnach landen die Couverts der Aktionäre direkt beim Pharmakonzern.
- Novartis will jetzt den Prozess unter die Lupe nehmen.
Das Stimmrechtsgeheimnis der Aktionäre nimmt Novartis nicht besonders ernst. Dies zeigt eine Recherche der «Rundschau».
Für einen Beitrag hat sich ein Reporter eine Aktie des Pharmakonzerns gekauft. Wie ein Grossteil der Aktionäre stimmte der Journalist brieflich ab. Den Brief versah er mit einem GPS-Sender. So war es möglich, den Weg des Couverts zu verfolgen.
Pikant: Der Brief landete nicht beim unabhängigen Stimmrechtsvertreter, obwohl dessen Adresse aufgedruckt ist. Stattdessen landete das Couvert erst in einem Postfach in Basel, dann beim Hauptsitz der Novartis.
Das ist heikel. Immerhin könnten so Mitarbeiter des Pharmakonzerns die Informationen nutzen. Etwa indem sie Aktionäre mobilisieren, um das Wahlergebnis zu beeinflussen. Bedroht ist auch das Stimmgeheimnis: Auf den Abstimmungsbögen ist der Name des Aktionärs aufgedruckt.
Die Couverts machen glauben, dass die Wahlzettel bei der Kanzlei des Anwalts Peter Andreas Zahn ankommen werden. Zahn ist der unabhängige Stimmrechtsvertreter für die Generalversammlung.
Novartis will über die Bücher
Gegenüber der «Rundschau» rechtfertigt der Anwalt das Vorgehen mit «grossem logistischen Aufwand». Diese würde die Kapazität der Kanzlei sprengen. Und: «Wichtig ist uns festzuhalten, dass unser Vorgehen geltendem Recht entspricht.»
Kritik gibt es von Wirtschaftsstrafrechts-Professorin Monika Roth. Für Sie ist das Verhalten der Novartis «eine Umgehung der grundsätzlichen Regelung». Das Wort ‹Unabhängigkeit› sei damit eigentlich schon erledigt.
Auch Ständerat Thomas Minder, Vater das Abzocker-Initiative, hält von dem Vorgehen wenig. «Das ist eine Schweinerei, das geht gar nicht», sagt er der «Rundschau». Er zweifelt zudem an der Legalität. Der Ostschweizer fordert darum, dass das Stimmrechtsgeheimnis ins Gesetz geschrieben wird.
Novartis will jetzt über die Bücher. «Wir werden die Hinweise der ‹Rundschau› in eine mögliche Verbesserung der Prozesse einfliessen lassen».