Appenzell Ausserrhoden gibt sich eine neue Verfassung

Appenzell Ausserrhoden ist auf dem Weg zu einer neuen Kantonsverfassung. Und langsam wird es konkret: Die Vernehmlassung zur Totalrevision ist abgeschlossen. Die Verfassungskommission hat mit der Auswertung der Reaktionen begonnen.

Fassadenmalerei auf dem Regierungsgebäude im Kanton Appenzell Ausserrhoden. - Keystone

Appenzell Ausserrhoden ist auf dem Weg zu einer neuen Kantonsverfassung. Und langsam wird es konkret: Die Vernehmlassung zur Totalrevision ist abgeschlossen. Die Verfassungskommission hat mit der Auswertung der Reaktionen begonnen.

So könnte die Präambel der neuen Kantonsverfassung beginnen: «Wir, die Stimmberechtigten von Appenzell Ausserrhoden, im Bewusstsein, dass unser Wissen und unsere Macht beschränkt sind...»

Im Entwurf gibt es aber auch noch einen zweiten Vorschlag: «Wir, die Stimmberechtigten von Appenzell Ausserrhoden, im Vertrauen auf Gott und im Bewusstsein, dass unser Wissen und unsere Macht beschränkt sind...»

Dieser erste Satz - ohne die Nennung von Gott oder mit - ist im historisch vom Freisinn geprägten Kanton einer der Punkte, die noch geklärt werden müssen. Die Verfassungskommission hat am 19. August damit begonnen, die vielen Reaktionen aus der breiten Vernehmlassung auszuwerten.

Neben neuen Formulierungen oder zeitgeistigen Aktualisierungen der Version von 1995 bringt der Entwurf vor allem auch inhaltliche Neuerungen. Sie betreffen unter anderem das Thema Wahlen und Abstimmungen.

So ist etwa das Stimmrechtsalter 16 vorgesehen. Neu sollen Ausländerinnen und Ausländer auf kantonaler Ebene abstimmen können. Es gibt dafür allerdings Bedingungen: Sie müssen ohne Unterbruch seit zehn Jahren in der Schweiz wohnen und ein Gesuch auf Erteilung des Stimmrechts stellen.

Vorgeschlagen werden weitere Änderungen: Die Mitglieder des Regierungsrats sollen künftig selber festlegen können, wer aus ihrer Mitte Regierungspräsident oder Regierungspräsidentin werden soll - und nicht mehr die Stimmberechtigten. Die bisherige Bezeichnung Landammann würde nicht mehr verwendet.

Ein umstrittenes Thema - bis hin zum Bundesgericht - war in den letzten Jahren das Wahlsystem. Bisher galt die Proporzwahl nur für die Gemeinde Herisau. Nun soll das Majorzverfahren ganz abgeschafft werden. Kleinere Gruppierungen hätten so bessere Chancen, ein Kantonsratsmandat zu erhalten, schrieb die Verfassungskommission zu ihrem Entwurf.

Wie bei der Präambel gibt es für die Umschreibung des Verbots von Diskriminierungen eine Auswahl: In der einen Version steht eine namentliche Aufzählung von möglichen Diskriminierungen. Wegen «des Geschlechts, der Geschlechtsidentität, des Geschlechtsausdrucks, der sexuellen Orientierung, der Lebensform», heisst es unter anderem. In der zweiten Version steht schlicht: «Jegliche Diskriminierung ist verboten».

An der Vernehmlassung nahmen neben politischen Parteien und Gruppierungen, den Kommunen, diversen Organisationen auch Privatpersonen teil. Die Reaktionen fielen bei umstrittenen Punkten jeweils sehr unterschiedlich aus. Vor allem von den Parteien gab es auch grundsätzliche Einschätzungen zum Entwurf.

Für die FDP soll die Verfassung «die Eigenheiten, Ecken und Kanten» von Ausserrhoden widerspiegeln. Deshalb müssten diejenigen Elemente bewahrt bleiben, die charakteristisch für den Kanton sind. So sei etwa das Fehlen eines Hauptortes typisch für Ausserrhoden.

Die Mitte-Partei stellte fest, dass Ausserrhoden seit der Abschaffung der Landsgemeinde und dem Wegfall der Kantonalbank an Identität verloren habe «und in eine kraftlose Stimmungslage verfallen ist». Mit der Revision werde nun eine Chance verpasst, sie sei «allzu technisch» ausgefallen. Vermisst werden etwa «direktdemokratische Ventile».

Die Parteiunabhängigen (PU) befürchten, dass mit den Neuerungen das Fuder überladen sei und die neue Verfassung beim Volk Schiffbruch erleiden könnte. Die SP begrüsst die zeitgemässe Weiterentwicklung. Sie vermisst aber unter anderem einen Medienartikel.

Die SVP findet, dass eine Verfassung möglichst schlank ausgestaltet sein müsse. Die vorliegende Fassung sei überladen, zudem würden Themen aufgenommen, die nicht in die Verfassung gehörten.

Nach der Auswertung der verschiedenen Reaktionen durch die Verfassungskommission geht der angepasste Entwurf an den Kantonsrat, der ihn voraussichtlich anfangs 2022 beraten wird. Das letzte Wort haben die Stimmberechtigten.