Thuner Wohn-Initiativen: GLP will Konsens statt juristischen Kampf
Die Behandlungsfrist der Thuner Wohn-Initiativen soll verlängert werden. Der Stadtrat entscheidet am 21. September 2023. Nicolas Glauser (GLP) schätzt ein.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Juni 2023 wurden die beiden Thuner Wohn-Initiativen eingereicht.
- Der Gemeinderat sieht Rechtswidrigkeiten und stellt Rückfragen an das Initiativ-Komitee.
- Am 21. September 2023 tagt der Stadtrat über eine Verlängerung der Behandlungsfrist.
Das Initiativ-Komitee «Wohnen für alle Thun» hat im Juni 2023 zwei Initiativen «für mehr bezahlbaren Wohnraum» eingereicht. Doch: Der Gemeinderat von Thun sieht darin Rechtswidrigkeiten und bittet das Initiativ-Komitee bis am 2. Oktober 2023 um eine Stellungnahme.
Bei der Doppel-Initiative handelt es sich um die «Thuner Wohn-Initiative» und die «Bostudenzelg-Initiative». Erstere verlangt, dass sich bis 2035 15 Prozent aller Wohnungen in der Gemeinde Thun gemeinnützig sein müssen. Der Gemeinderat bemängelt, dass dies selbst dann nicht möglich sei, wenn die Realisierung in absoluter Rekordzeit erfolgt.
Die zweite Initiative verlangt einen Mindestanteil von 50 Prozent an «gemeinnützigen und preisgünstigen Wohnungen» bei der Überbauungsordnung «Bläuerstrasse-Bostudenzelg». Der Stadtrat ist der Meinung, dass diese Forderung ein Verstoss gegen die Eigentumsgarantie sei.
Damit alles sauber abläuft, soll die Behandlungsfrist der Doppel-Initiative um sechs Monate verlängert werden. Darüber wird der Stadtrat unter anderem am 21. September 2023 diskutieren.
Nicolas Glauser (GLP) gibt Nau.ch gegenüber Auskunft zur Situation und drängt dabei auf rasche Lösungen, um dem «dringenden Wohnungsbedarf» in Thun gerecht zu werden.
Nau.ch: Das Komitee möchte mit den Initiativen den «preisgünstigen und qualitativ hochstehenden Wohnungsbau» fördern. Stimmen Sie dem Vorhaben zu?
Nicolas Glauser: An der Stadtratssitzung vom Donnerstag, dem 21. September 2023, geht es zunächst nur um die Gewährung einer Fristverlängerung, eine inhaltliche Auseinandersetzung wird noch nicht stattfinden.
Jedoch unterstütze ich die Initiativen in weiten Teilen, so hat der genossenschaftliche Wohnungsbau in Thun eine verbreitete und lange Tradition. Für mich ist aber eine gute Durchmischung zentral und zu extreme Quoten schränken auch die möglichen Bautätigkeiten ein.
Die tiefe Leerwohnungsziffer für Thun zeigt aber auch, dass dringender Wohnungsbedarf herrscht und ein Teil der in den nächsten Jahren zusätzlich zu realisierenden Wohnungen soll auch im preisgünstigen Segment angeboten werden.
Nau.ch: Die Wohn-Initiative sei laut dem Gemeinderat in der Form nicht realisierbar. Die bis 2035 geforderten 15 Prozent an gemeinnützigen Wohnungen können nicht rechtzeitig gebaut werden. Sehen Sie Alternativen zur realistischen Umsetzung dieser Initiative?
Nicolas Glauser: Es gilt nun zu prüfen, wie die Initianten auf den vorgeschlagenen Anteil von 15 Prozent gekommen sind. Die Stadt sieht als möglichen Anteil 11,1 Prozent bis 2035. Hier müssen jetzt zusammen die Fakten gesammelt und realistisch beurteilt werden.
Vielleicht findet man sich irgendwo zwischen den beiden Prozentwerten und es wäre sicher zielführender, wenn man mit einem konsensfähigen Gegenvorschlag der Initiativen entsprechen könnte, statt auf eine jahrelange juristische Auseinandersetzung zu steuern.
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Nau.ch: Auch die Bostudenzelg-Initiative wird vom Gemeinderat als potenziell rechtswidrig eingestuft: Betroffene Grundeigentümer können so ihr Land nicht beliebig nutzen. Wie ordnen Sie dies ein?
Nicolas Glauser: Bei dieser Initiative wurde im Text der Wert von 50 Prozent Anteil als preisgünstige Wohnungen in Kostenmiete festgelegt. Jedoch ist das genau der Landanteil der Stadt Thun am Bauprojekt, sodass die stadteigenen Wohnungen zu 100 % preisgünstig sein müssten, damit nicht einer der anderen Grundeigentümer betroffen wäre.
Auch hier würde ich auf einen Kompromiss hinarbeiten, sodass die Planung nicht unnötig verzögert wird. Eigentlich ist man sich schon sehr nahe, denn die Stadt hat bereits 75 % preisgünstigen Wohnungsbau an ihrem Anteil zugesichert.
Zudem könnte man in einem Gegenvorschlag zur Initiative die Bestimmung ergänzen, sodass der Eigentümer auch selbst die Wohnungen in Kostenmiete vermieten kann, dann wird die mögliche Rechtswidrigkeit vorsorglich aufgehoben.
Nau.ch: Haben Sie sonstige Vorschläge, um die Wohnungssituation in Thun zu verbessern?
Nicolas Glauser: Ein Thema ist sicher die allgemeine Verdichtung und Erneuerung, wie schön am Beispiel der Überbauung Freistatt zu sehen ist. Aus einer in die Jahre gekommenen Genossenschaft entsteht ein neues optimiertes Projekt mit 260 Wohnungen. Und übrigens auch hier mit einem grossen Anteil an bezahlbarem Wohnraum.
Nau.ch: Stimmen Sie dem Antrag des Gemeinderats zu, welcher die Fristen zur Behandlung der beiden Initiativen verlängern will? Falls ja, was schlagen Sie dann als weiteres Vorgehen vor?
Nicolas Glauser: Fast. Ich finde eine Verlängerung um 6 Monate eine schon sehr grosse Verzögerung, zumal je nach Ergebnis es ja erst dann richtig losgeht mit den rechtlichen Auseinandersetzungen.
Ich würde eine kürzere Frist vorziehen und überlege mir einen entsprechenden Antrag an der Stadtratssitzung zu stellen. Ich denke, mit höchstens 3 Monaten gibt man dem Gemeinderat genügend zusätzliche Zeit, würde jedoch dringend empfehlen, die bereits oben erwähnten Gespräche mit den Initianten zu suchen, um schnelle und mehrheitsfähige Lösungen zu finden.
Zur Person
Nicolas Glauser (47) ist Thuner Stadtrat der GLP (Sachkommission Bildung, Sport & Kultur) und im Vorstand der GLP Stadt Thun. Politisch engagiert er sich zudem als Mitglied der Schulkommission und Fachkommission Kunst- & Sportklassen.
Beruflich unterrichtet er Sport und Mathematik an der Wirtschaftsschule Thun. In seiner Freizeit spielt Sport eine wichtige Rolle, darunter Tennis, «Bänklischutte» und Wintersport, möglichst viel Familienzeit und Heimwerken in Haus, Chalet & Garten.