Zürcher Obergericht verurteilt Bäcker wegen Juden-Videos

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Das Zürcher Obergericht hat am Freitagabend einen Bäcker wegen Diskriminierung durch Verbreitung von Ideologien verurteilt. Er habe zum Nachdenken anregen, nicht vor einer jüdischen Weltverschwörung warnen wollen, brachte der 62-Jährige vergeblich vor.

Das Obergericht verhängte eine während einer Probezeit von zwei Jahren aufgeschobene Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 50 Franken. Es stiess damit ein Urteil des Bezirksgerichts Winterthur um, das den Mann im Juni 2023 freigesprochen hatte.

Der früher erfolgreiche Bäcker hatte während anderthalb Jahren auf seiner Internetseite eine damals 18-teilige Serie mit dem Titel «Der Untergang der Kabale» veröffentlicht. Darin hiess es, dass eine sich als Juden ausgebende Gruppe Kinder opfere und deren Blut trinke, die Weltherrschaft anstrebe und auch – neben vielem weiterem – für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich sei.

Für das Bezirksgericht Winterthur war klar, dass die Filme antisemitisch seien. Der Antisemitismus trete allerdings nicht offen, sondern auf eine subtile und verschachtelte Art und Weise zum Vorschein, indem nicht die Juden, sondern eine Gruppe «Scheinjuden» für das Übel der Welt verantwortlich gemacht würden.

Deshalb gelangte das Bezirksgericht zu einem Freispruch – es hielt, einfach ausgedrückt, den Bäcker für zu dumm für eine Verurteilung. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass er sich des subtilen Antisemitismus tatsächlich bewusst gewesen sei, hiess es im Urteil.

Vor dem Obergericht beteuerte der 62-Jährige am Freitag erneut seine Unwissenheit. In den Filmen werde nicht gegen das jüdische Volk gehetzt, sagte er. Es gehe darin doch um einzelne Personen oder allenfalls Gruppen, die als Elite eine neue Weltordnung schaffen und die Bevölkerung durch Kriege und Impfungen reduzieren wolle.

So drehe sich die Serie, die inzwischen auf 26 spannende Teile angewachsen sei, auch um Chemtrails, 5G, Finanzwesen und vieles weitere, sagte der Bäcker. Das seien alles Themen, über die die Medien nicht berichteten. «Ich habe in guter Absicht diese Videos publiziert, damit sich die Leute informieren können.»

Der Verteidiger sprach deshalb von einem politischen Prozess im Nachgang der Coronapandemie. Sein Mandant habe dem «betreuten Denken des Staates» widersprechen und zum Nachdenken anregen wollen. Von einer systematischen Herabsetzung der Juden könne keine Rede sein; in der knapp 14 stündigen Doku zur Menschheitsgeschichte von den Sumerern bis heute würden einer als Juden auftretenden Gruppe nur drei Minuten eingeräumt. Er plädierte auf einen vollen Freispruch.

Kein Zuschauer könne daran zweifeln, dass in der Filmserie ein jüdischer Geheimbund für viel Leid verantwortlich gemacht werde, hielt demgegenüber der Staatsanwalt fest. Den Freispruch des Winterthurer Bezirksgerichts bezeichnete er in diesem hochsensiblen Bereich für nicht nachvollziehbar und nicht vertretbar. «Antisemitismus hat keinen Platz in unserer offenen Gesellschaft.»

Es gehe dabei nicht um eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, führte der Staatsanwalt weiter aus. Es gehe um die Bestrafung eines klaren Missbrauchs moderner Kommunikationsmittel zur perfiden Diskriminierung der jüdischen Gemeinschaft.

Der Obergericht Zürich nahm den 62-Jährigen ab, dass er kein Rassist sei: Der Mann sei im Umfeld der Coronazeit in einen Tunnel geraten und für alle möglichen Verschwörungsideen empfänglich geworden, hielt der vorsitzende Richter fest. Er sprach von einem «fehlgeleiteteten aufklärerischen Bedürfnis».

Der Beschuldigte habe aber Diskriminierung und Diffamierung in Kauf genommen, sagte der Oberrichter. Die groteske Verächtlichmachung der Juden sei für jeden und damit auch für den Bäcker offensichtlich. «Es geht in der Filmserie nicht nur während dreier Minuten um Juden – das ist der rote Faden, der sich durch das ganze Zeug zieht.» Der Mann habe dieses Machwerk und diesen Schmarren für einen grossen Kreis zugänglich gemacht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Bäcker, der sich in der Öffentlichkeit zu Unrecht als «Nazi» beschimpft und nach Medienberichten seinen Lebensabend zerstört sieht, kann es ans Bundesgericht weiterziehen.