Gemeinderäte wollen Kirchenglocken in Zürich nachts ruhen lassen
Der Stadtrat lehnte den Vorstoss ab, nur schon, weil er keine rechtliche Möglichkeit dazu habe. Er muss dennoch aktiv werden.
Linke Gemeinderäte haben eine strikte Nachtruhe für Kirchenglocken in Zürich gefordert. Zwischen 21 und 9 Uhr sollen keine Glocken erklingen dürfen, ebenso sei auf ein Frühgeläut zu verzichten, forderten Michael Graff und Andreas Kirstein von der AL. Kultisches Geläute dürfe nur noch zwischen 9.45 und 21 Uhr ertönen.
Erklärt haben die beiden AL-Gemeinderäte ihre Motion mit dem Ruhebedürfnis und der Gesundheit der Stadtzürcher Bevölkerung. Motionär Andreas Kirstein sprach am Mittwoch, 26. Oktober 2022, von einer «moderaten Anpassung» der Verordnung.
Der Stadtrat lehnte die Forderungen aus rechtlichen Gründen ab. In der Polizeiverordnung seien 2011 Vorschriften zum Kirchengeläut aufgehoben worden. Der Zürcher Stadtrat verfüge also gar nicht über die Kompetenz, den Kirchen Vorschriften zu machen.
Stadtrat Andreas Hauri zeigte Verständnis für den Wunsch nach Ruhe. Die Kirchgemeinden hätten aber bereits auf die Bedürfnisse der Bevölkerung reagiert. Viele verzichteten etwa auf den nächtlichen Stundenschlag, gar alle auf den Viertelstundenschlag in der Nacht.
Bisher keinerlei Beschwerden bekannt
Gäbe es Beschwerden per Antrag, würden diese geprüft. Dem Stadtrat seien allerdings keine solchen Anträge bekannt. Motionär Kirstein sagte, er habe andere Reaktionen bekommen. In einem Fall habe sich ein Quartier gar erfolglos gegen das Geläut gewehrt.
Bei den anderen Parteien hatte der Vorstoss einen schweren Stand, nicht nur wegen der rechtlichen Vorgaben. Roger Bartholdi (SVP) nannte Kirchenglocken ein Kulturgut. Nachts seien die Glockenschläge dezent.
Die vorgeschlagenen Ruhezeiten seien völlig übertrieben. «Um 7 Uhr morgens wird auf der Baustelle gehämmert, nachts in den Parks laut gefeiert. Aber wehe, die Kirchenglocke läutet dann», meinte er.
Die SP nehme zur Kenntnis, dass der Stadtrat keine rechtliche Handhabe habe, sagte Anna Graff. Doch das Geläut könne durchaus ein Gesundheitsrisiko sein.
Antrag der SP auf Umwandlung in Postulat
Die Kirchen forderte sie auf, das zu respektieren und während der Nachtruhe auf das Geläut verzichten. Der Stadtrat solle den Kirchen eine entsprechende Aufforderung machen. Die SP stellte den Antrag, die Motion in ein Postulat umzuwandeln
Roger Föhn (EVP), der als Sigrist arbeitet, sagte, dass seine Kirchgemeinde auf den Nachtschlag verzichte. Andere würden dies nicht tun. Doch wen dies störe, solle das Gespräch mit diesen Kirchgemeinden suchen.
Andreas Kirstein hätte sich die Diskussion schlimmer vorgestellt. Den Vorstoss der SP akzeptierte er, auch wenn er ihn komplett «inhaltsleer und kastriert» fand.
Mit 59 zu 45 Stimmen nahm der Rat den abgewandelten Vorstoss an. Neun Mitglieder enthielten sich. Somit muss der Stadtrat prüfen, ob er den Kirchen einen entsprechenden Vorschlag zum nächtlichen Glockenschlag und Frühgeläut machen kann.