«Find Me»: Fortsetzung von «Call Me By Your Name»
Die sommerliche Liebesgeschichte zwischen einem Teenager und einem Studenten geht in Runde zwei. Doch in «Find Me», dem Nachfolge-Roman des Bestsellers «Call Me By Your Name», ist zunächst Geduld gefragt.
Das Wichtigste in Kürze
- Teenager Elio verliebt sich in den amerikanischen Studenten Oliver.
Das homoerotisch flirrende Sommerdrama «Call Me By Your Name» macht Timothée Chalamet über Nacht zum Jungstar - und den Film 2018 zum Überraschungshit im Kino. Der seinerzeit elf Jahre alte gleichnamige Debütroman von André Aciman entwickelt sich endgültig vom Kult-Buch zum Bestseller.
Jetzt erzählt der italienisch-amerikanische Autor die Geschichten von Elio und Oliver weiter. Der Roman «Find Me» («Finde Mich») ist jüngst auf Deutsch erschienen. Der damals 17-jährige Elio ist mittlerweile zum klassischen Pianisten in Paris gereift. Der sieben Jahre ältere College-Professor Oliver hat in New York eine Familie gegründet.
«Ich wusste, dass ich nicht genau dort anschliessen würde, wo ich aufgehört hatte - oder ein, zwei Jahre später», sagte der New Yorker Autor in einem Interview im vergangenen Herbst, als der Roman auf Englisch erschien. «Ich habe ihre Jugend erzählt. Das war vorbei, und sie sind weitergegangen.» Doch Lesern, die sehnsüchtig gespannt sind, was aus Elio und Oliver geworden ist, kitzelt Aciman zuvor noch etwas an der Neugiersynapse.
Denn der erste der vier Romanteile («Tempo») dreht sich zunächst einmal um Elios kürzlich geschiedenen Vater Samuel. Ein Jahrzehnt nach dem Sommer in «Call Me By Your Name» flirtet dieser auf einer Zugreise nach Rom mit der viel jüngeren und etwas forschen Miranda. Die Ewige Stadt putzt sich dann als Kulisse eines dicht an den Figuren erzählten Spiels aus Annäherung und Distanz heraus. Es braucht nur einen Tag, dass beide einander verfallen.
Ein erster Blick, eine handfeste Romanze. «Man verliebt sich in dem Moment, in dem man jemanden sieht», so der Autor, der im kommenden Jahr 70 wird. Doch da hat der Vater von drei Söhnen ein bisschen zuviel von Kaugummi-Pop und Hollywood-Komödien abgeschaut. In der Literatur darf es nämlich gern etwas tiefgründiger zugehen als das schnarchige Prinzip von «Liebe auf den ersten Blick». Die Koketterie der beiden aber nuanciert Aciman durchaus fein und flimmernd.
Zwar hätte man die Story lieber aus Mirandas Sicht erzählt bekommen, dem interessanteren der beiden Charaktere. Doch ist «Tempo» trotz der unglaubwürdigen Rasanz (schon nach wenigen Stunden sagt sie: «Kaufen wir zwei gleiche Tassen, eine mit deinem Anfangsbuchstaben und eine mit meinem.») sicherlich der beste der vier Abschnitte.
Denn in der darauffolgenden Liebesgeschichte («Cadenza»), die fünf Jahre später spielt, verfällt Ich-Erzähler Elio teilweise in allzu blumige Schwülstigkeiten. Ermüdend häufig wird der Altersunterschied zum ergrauten Michel angesprochen. Die Unsicherheit, die bei Samuel einen gewissen Liebreiz in sich trägt, liest sich bei Michel oft nur allzu peinlich.
Teil drei («Capriccio») begleitet dann wiederum Jahre später den 44-jährigen Familienvater Oliver, der gleichzeitig romantisch an einer Kollegin und einem Kollegen interessiert ist. Im letzten Part («Da Capo») werden dann die Fäden der drei Storys zusammengeführt. Man möchte fast sagen: endlich!
In «Call Me By Your Name» ging es in erster Linie um das jugendliche Verlangen nach Nähe. In «Find Me» rückt die Angst vor dem Verlust in den Vordergrund, die sich bereits im Moment des Verliebens zeigt. Über allem schwebt die Erinnerung an eine Magie der früheren Zeit.
«Das Geheimnis zwischen einem Individuum und einem anderen zieht meine Aufmerksamkeit an», sagt der in Ägypten geborene Aciman. «Und es ist wirklich immer so ein unergründliches Rätsel: Was passiert, wenn X auf Y trifft? Es ist nie leicht.»
Doch leider macht er es sich dann doch zu einfach. Seine Figuren bleiben vorhersehbar. Man merkt ihnen an, am Reissbrett entworfen worden zu sein. Zu überstilisiert kommen sie daher. Alles in allem mag «Find Me» leider nicht sehr viel für eine «Call Me By Your Name»-Fortsetzung auf der Kinoleinwand bereithalten.