«Gemini Man»: Will Smith mal Zwei

Modernste Kameratechnik, ein selbstironischer Will Smith, dazu einer der begabtesten zeitgenössischen Regisseure: «Gemini Man» ist Adrenalin-Action mit Hintersinn.

Will Smith (r) als Henry Brogan und Clive Owen als Clay Verris in einer Szene des Films "Gemini Man". Foto: Paramount - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Als Filmemacher hat Ang Lee bereits einen langen und erfolgreichen Weg hinter sich.

27 Jahre ist es her, dass der gebürtige Taiwanese mit «Pushing Hands», der Geschichte eines in New York gestrandeten Tai Chi-Meisters, sein Debüt vorlegte. Es soll nur 400 000 Dollar gekostet haben. Es folgten populäre, teils epochemachende Werke wie «Brokeback Mountain» (Regie-Oscar 2006) oder «Life of Pi» (Regie-Oscar 2013).

Nun legt der Regisseur einen bildgewaltigen, sicher ziemlich teuren Thriller mit einem grossen US-Star vor: Will Smith in einer Doppelrolle. An dessen Seite agieren unter anderen Clive Owen («Valerian - Die Stadt der tausend Planeten»), Mary Elizabeth Winstead («10 Cloverfield Lane»), Benedict Wong («Doctor Strange»). Am Drehbuch zum Zweistünder beteiligt war auch der, durch die legendäre Fantasy-Serie «Game of Thrones» bekannte David Benioff.

Bei «Gemini Man» handelt es sich um Ang Lees vierzehnten Spielfilm. Der in 3D gedrehte Streifen verfügt über eine besonders hohe Bildrate. Während normale Kinostreifen mit 24 Bildern pro Sekunde aufwarten, kommt «Gemini Man» (je nach Kino) mit einer Rate von bis zu 120 Bildern pro Sekunde in die Lichtspielhäuser. Eine Technik, die dazu führt, dass man jede Hautpore der Darsteller erkennt.

Man kennt das aus anderen Action-Filmen: Ein gealterter Recke, in diesem Fall der Agent und Scharfschütze Henry Brogan (Smith), möchte sich nach unzähligen Einsätzen endlich zur Ruhe setzen, endlich Seele und Körper umsorgen. Auch Brogan aber muss noch darben bis zum verdienten Ruhestand, die 72 Auftragsmorde, die der Berufskiller bereits in seinem Portfolio weiss, die sollen noch nicht genügen. Das Angeln und die Bonsai-Bäumchen, das alles muss noch warten.

Dass Brogan es diesmal ausgerechnet mit einer jüngeren Version seiner selbst (der Klon entstammt einem geheimen DNA-Projekt namens «Gemini») zu tun bekommt, macht die Sache nicht eben einfacher: Junior, so der Name des geklonten Brogan, sieht diesem nicht nur zum Verwechseln ähnlich (wenn auch ohne Falten und graues Haar), er ist auch an Gewehr und Pistole genauso agil und kundig. Und versteht es zudem, so manch Schritt seines, fast doppelt so alten DNA-Vorbilds vorherzusagen. Nur gut, dass der alte Brogan eine junge Agentin (Winstead) an seiner Seite hat.

Gerade hat Will Smith in Budapest nicht nur diesen, von Action-Ikone Jerry Bruckheimer mitproduzierten Film vor Fans präsentiert, sondern ebendort auch seinen 51. Geburtstag begangen. Einen Filmstar dieser Grösse (man denke an Auftritte wie Smiths legendäre Performance in «Men in Black») durch einen digitalen Jungbrunnen zu schicken, um das dabei entstandene Alter Ego sodann auf Smith anzusetzen - man kann diese Idee für durchaus fraglich halten. Und deren Umsetzung dann doch ganz charmant finden: Smith - und das ist beileibe nicht jedem Hollywoodianer gegeben - nimmt sich und sein Alter in diesem Film in keiner Sekunde zu ernst; immer wieder gibt es selbstironische Momente.

Wer will, kann «Gemini Man» (in den 1970ern gab es eine TV-Serie gleichen Titels), wer will, kann diesen Action-Thriller, dessen eigentliche Story nicht allzu elaboriert ist, auch als Zeugnis einer Midlife-Crisis deuten: Ein alternder Agent respektive Kino-Star, der sich im Rückblick auf sein jüngeres, am Computer generiertes Selbst seiner Vergangenheit stellt, um festzustellen, dass er diese nie vollends wird abschütteln können. Richtig emotional indes wird es nie; auch in der darauf angelegten Szene, in der beide, Junior und Brogan, feuchte Augen haben, überträgt sich dieses Gefühl nicht in den Kinosaal.

In Kombination aber führen die 3D-Technik und die höhere Bildrate mehrfach zu höchst faszinierenden Bild-Erlebnissen: ein sich gleichsam in den Kinosaal hinein biegender, um eine Kurve rasender Zug, fliegende Glassplitter, die sich von der zweidimensionalen Leinwand gen Betrachter zu bewegen scheinen. Nicht zuletzt eine ziemlich tollkühne und wunderbar gefilmte Verfolgungsjagd auf Motorrädern. Und doch: Die teils dokumentarisch anmutenden Einstellungen (Kamera: Dion Beebe, Oscar 2006 für «Die Geisha») sind immer wieder von einer, fast aseptisch zu nennenden Kälte, die einen frösteln lässt.

Sollte das zukünftige Blockbuster-Kino derart klinisch anmuten, sollte dieser Film ein Vorbote sein, dann sollte man das hergebrachte, das weniger porenscharfe Mainstream-Kino mit gehörig Schminke und vielen, vor allem den Darstellern schmeichelnden Farb-Filtern vor seinem endgültigen Verschwinden noch einmal ordentlich geniessen. Ang Lee aber zeigt auch mit «Gemini Man», dass er zu den Kinomachern gehört, über deren Filme es sich noch immer vortrefflich diskutieren lässt.