Jazz fürs grosse Publikum: Rymden und Tingvall Trio

Jazz muss nicht immer Nischenmusik für ein kleines Publikum sein. Die skandinavische Supergroup Rymden und das Tingvall Trio gehören zu den Stars eines ambitionierten Mainstream-Jazz - jetzt wieder mit starken neuen Alben.

Martin Tingvall (l-r), Jürgen Spiegel und Omar Rodriguez Calvo bitten zum «Dance«. Foto: Steven Haberland - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Jazz lebt oft vom Live-Erlebnis - aber das fällt in Corona-Zeiten ja leider aus.

Gut, dass es auch jetzt Alben gibt, die in den eigenen vier Wänden genauso viel Spass machen. Wie etwa die neuen Platten von Rymden und dem Tingvall Trio.

Ihr Debüt «Reflections & Odysseys» war vor eineinhalb Jahren eine kleine Jazz-Sensation: Hinter dem schlichten Bandnamen RYMDEN verbargen sich keine Geringeren als Bugge Wesseltoft (Piano, Keyboards, Electronics), Dan Berglund (Bass) und Magnus Öström (Schlagzeug). Also ein norwegischer Klavier-Star und zwei Drittel vom legendären Esbjörn Svensson Trio (e.s.t.), das 2008 nach dem tragischen Unfalltod seines Frontmanns zerbrochen war.

Schon der Rymden-Erstling war künstlerisch und auch kommerziell ein grosser Erfolg, die Platte erreichte Platz 53 der deutschen Pop-Charts und Platz 1 der «Top-20 Jazz Charts» von 2019. Ein genügsames «Weiter So» kam trotzdem nicht in Frage - das Trio  überschreitet stattdessen auf «Space Sailors» (Jazzland/Edel) jetzt verstärkt die Grenze zur progressiven Rockmusik, auch der härteren, düsteren Gangart wie in «The Final Goodbye». 

«Wir mögen dieses skandinavische Prog-Metal-Ding», sagte dazu Wesseltoft. Und tatsächlich sind hier viele Rhythmen extrem wuchtig, kantig, vertrackt. Manche Jazz-Puristen könnten angesichts des famosen Fusion-Sounds die Nase rümpfen, aber das war diesen drei Musikern schon bei früheren genresprengenden Projekten herzlich egal.

Der Albumtitel «Space Sailors» kommt dabei nicht von ungefähr: Schon der Bandname Rymden bedeutet ja auf Deutsch «Raum» oder auch «Weltraum». Manche neuen Stücke wie die futuristische Klangmalerei «Arriving At Ramajay» könnten ohne weiteres einen Science-Fiction-Film unterlegen. Bleibt nur zu hoffen, dass dieses Virtuosen-Trio seine elektronisch-akustischen Reisen durchs grosse Jazz-All nächstes Jahr auch auf der Bühne vorstellen kann - Wesseltoft/Berglund/Öström sind begnadete Live-Künstler.

In Deutschland noch bekannter als das recht neue skandinavische Projekt Rymden ist das seit vielen Jahren erfolgreiche TINGVALL TRIO. Neben drei «Echo Jazz Awards» erreichen die Musiker um den schwedischen Pianisten Martin Tingvall mit ihren Studioveröffentlichungen regelmässig Gold-Status.

Die neue Platte «Dance» (Skip/Soulfood/GoodToGo) heisst nun nicht zufällig so. In 13 Stücken mit Titeln wie «Tokyo Dance», «Spanish Swing» oder «Bolero» sollen «unterschiedlichste Formen des Tanzes als Gefühlsausdruck aufblitzen», wie es vorab hiess.

Die Idee sei gekommen, «als wir "Cuban SMS" geprobt haben und es uns tatsächlich schwerfiel, dabei sitzen zu bleiben», sagte der Wahl-Hamburger Tingvall, der wieder mit Omar Rodriguez Calvo (Bass) und Jürgen Spiegel (Schlagzeug) spielt. «Es war so viel Rhythmus und Kraft in der Musik. Ich persönlich kann gar nicht tanzen, aber es hat uns einfach mitgerissen. Und damit war die Idee zu einem Album voller Tänze geboren.»

Tatsächlich hat sich etwas Aufgekratztes, Ausgelassenes in die wie immer sehr noblen Tingvall-Melodien eingeschlichen, das den Tracks gut tut und auch langjährigen Fans Neues bietet. Die Band gibt es schliesslich schon rund 15 Jahre, da könnte sich irgendwann zu viel Routine oder gar Behäbigkeit einstellen - das ist hier aber zum Glück nicht der Fall.

Mit dem teilweise äusserst groovigen «Dance»-Album hat sich das Tingvall Trio elegant aus der Schönklang-Falle befreit. Obwohl diese Musik natürlich weiterhin äusserst schön klingt - aber eben nicht langweilig oder nach kreativem Stillstand.