Madonna und der «Boss»: Wie gut sind die 80er-Giganten noch?

Die Musik von Madonna und Bruce «The Boss» Springsteen ist kaum vergleichbar - ihr Massenerfolg und Ikonen-Status aber durchaus. Nun bringen die Pop-Königin und der Stadionrocker neue Alben heraus. Wie haben sich die beiden Superstars gehalten?

«Western Stars» - ein akustisches Road-Movie von Bruce Springsteen. Foto: Nathan Denette/The Canadian Press/AP - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Von den Megastars der 80er Jahre sind sie die einzig verbliebenen: Madonna und Bruce Springsteen.

Nach dem Tod von Michael Jackson, Prince, David Bowie, George Michael und Whitney Houston zählen ihre Alben zu den mit maximaler Spannung erwarteten Höhepunkten eines Musikjahres.

Nun veröffentlichen beide am selben Tag, dem 14. Juni, neue Studioplatten. Ein Duell der Pop-Giganten im Vergleich der Deutschen Presse-Agentur.

DIE LEBENDEN LEGENDEN ...

... Madonna (60) und Bruce Springsteen (69) sind Stars der Superlative, wie es sie heute kaum mehr gibt: seit Jahrzehnten erfolgreich mit Tonträger-Verkäufen im insgesamt dreistelligen Millionenbereich, stets ausverkaufte Tourneen, etliche Grammys, weltweit treue Fans und meist beeindruckte Kritiker. Mit ihren Kernkompetenzen - Madonna: tanzbarer Pop und mutige Imagewechsel, Springsteen: kraftvoller Rock und zarter Folk - sind sie seit 35 beziehungsweise 45 Jahren stilprägend. Das bedeutet aber auch: Mit jedem neuen Album wächst das Risiko eines Absturzes.

DIE SPÄTWERK-JAHRE ...

... verliefen für den «Boss» fantastisch. Springsteen brachte 2014 sein bisher letztes, sehr solides Album «High Hopes» mit der berühmten E Street Band heraus, ging 2015/16 auf eine umjubelte Welttournee und erlebte 2017/18 seinen grössten Triumph: mit über 230 ausverkauften Shows am New Yorker Broadway, wo er allein zu Gitarre und Piano über sein Leben sang - als glaubhafte Verkörperung des «guten Amerikaners» in Donald-Trump-Zeiten.

Madonnas neuere Platten gelangten zwar weiterhin an die Spitze der Charts, jedoch fiel die Begeisterung für «MDNA» (2012) und «Rebel Heart» (2015) nur verhalten aus. Mit ihrem Auftritt beim Eurovision Song Contest (ESC) in Tel Aviv wollte sie in diesem Mai ihr neues Album promoten - und blamierte sich nach Ansicht vieler Beobachter mit wackliger Stimme und Performance. Man wartete mit Bangen (oder Schadenfreude) auf die neuen Songs, die sich am derzeit angesagten Latin-Pop orientieren sollten.

DIE NEUE MUSIK ...

... ist selbst für Madonnas Verhältnisse sensationell in ihrer schrillen Aufdringlichkeit. Mit einem grossen Produzententeam und diversen Gaststars hat sie für (und als) «Madame X» alles Mögliche in den Mixer geworfen: Latin, Soul, Reggae, Hip-Hop, «Vogue»-House, R&B-Balladen, auseinanderbrechende Midtempo-Songs - und über all dem Durcheinander ihr eher dünner Gesang, der fast immer mit Autotune manipuliert wurde. Madonna misst sich mit jüngeren Pop-Diven wie Beyoncé, Rihanna oder Ariana Grande - und geht grandios unter.

Springsteen hat ebenfalls ein Album gemacht, wie man es von ihm noch nicht kannte. «Songs voller Charakterstudien und üppiger, cineastischer Orchester-Arrangements» hatte er kürzlich angekündigt. Die 13 Lieder von «Western Stars» - ohne seine E Street Band - verweisen diesmal nicht auf alte «Boss»-Helden wie Bob Dylan oder Woody Guthrie, sondern auf Westcoast-Pop und Folk der 60er/70er Jahre. Es sind Songs mit nostalgischer Grandezza, die in ihrer makellosen Schönheit tief berühren, weil sie stets kurz vor der Kitsch-Grenze haltmachen.

DIE TEXTE ...

... des linksliberalen Patrioten Springsteen sind überraschend zahm - man hätte Statements erwartet zum Trump-Desaster. Doch «Western Stars» enthält kein einziges Wort über aktuelle US-Politik - als hätte der «Boss» dem verachteten Präsidenten keinerlei Raum in seinen friedvollen Liedern einräumen wollen. Stattdessen erzählt der Storyteller über fiktive Charaktere, über verlorene Liebe - und in Rückspiegel-Passagen auch über sich.

Madonnas «Madame X»-Texte sind giftiger, es geht wie so oft bei ihr um Gender-Fragen, Feminismus, Sex - aber auch um Politik: «Democracy!» verlangt die zeitweise in Portugal lebende Musikerin, sie präsentiert sich als Fürsprecherin der Schwachen und Beladenen. Auch wenn manches davon wirr klingt - die US-Amerikanerin ist politisch so meinungsstark wie selten zuvor.

DIE POP-RELEVANZ ...

... hält sich in Grenzen (was nicht zwangsläufig gegen die beiden aktuellen Alben spricht). Denn kann neue Musik einer Sängerin mit Anfang 60 und eines Stadionrockers von fast 70 Jahren noch relevant für den Pop von heute sein? Eigentlich nicht. Madonna versucht es mit «Madame X» - und scheitert, weil sie ihre Möglichkeiten zu oft altbacken und verkrampft einsetzt. Die wichtigste Musikerin der Pop-Moderne ist nicht mehr modern.

Springsteen fügt seinem Katalog indes eine Platte hinzu, auf die er sehr stolz sein kann - weil er sich auf seine Qualitäten beschränkt: grosse, zeitlose Songs schreiben und wunderbar einfühlsam singen. «Western Stars» ist ein akustisches Road-Movie ohne Verfallsdatum.

DIE ZUKUNFT ...

... läuft bei Springsteen auf ein Comeback der E Street Band hinaus. Er hat angekündigt, dass er nach dem Jahr am Broadway und seinem Folkpop-Ausflug bereits wieder Songs für seine Lieblingstruppe geschrieben habe und mit ihr auf Tournee gehen wolle. «Boss»-Freunde freuen sich - so sehr sie das melancholische «Western Stars» zu schätzen wissen.

Auch bei Madonna darf man gespannt sein. «Madame X» wird wieder auf Platz 1 vieler Album-Charts springen, doch die Kritik hat sie tief getroffen, zumal teilweise hämisch ihr Alter thematisiert wurde. Aber diese geniale Pop-Musikerin und Selbstvermarkterin hat sich schon oft neu erfunden - warum nicht noch einmal, dann vielleicht mit interessanteren, relevanteren Sounds.