Netflix-Erfolg: «Das Dilemma mit den sozialen Medien»
Soziale Medien können Kriege, Suizide und die Zerstörung der Demokratie auslösen - zumindest wenn es nach Experten geht. Frühere Web-Entwickler, Investoren und leitende Angestellten der bekanntesten Plattformen schlagen in eine neuer Streaming-Doku Alarm.
Das Wichtigste in Kürze
- Wer nach diesem Film auf sein Smartphone schauen möchte, wird das wohl nicht mehr ohne schlechtes Gewissen tun können.
Ehemalige Mitarbeiter in Schlüsselpositionen von Facebook, Google, Twitter oder Instagram schlagen in der Dokumentation «Das Dilemma mit den sozialen Medien» Alarm.
Das Netflix-Original von Jeff Orlowski («Chasing Ice») war diese Woche unter den Top Ten des Streaming-Anbieters in Deutschland.
«Für mich ist das sonnenklar: Diese Dienste töten Menschen», sagt Tim Kendall, früherer Geschäftsführer bei Facebook und ehemaliger Pinterest-Präsident. «Wir sind alle Laborratten», bemerkt Sandy Parakilas, ehemals bei Facebook im Datenschutzbereich zuständig. «Checkst du dein Smartphone, bevor du morgens pinkeln gehst oder während du pinkelst? Denn das sind die einzigen beiden Optionen», stellt Roger McNamee, einer der ersten Investoren bei Facebook fest.
Die sozialen Medien machen süchtig und sind gefährlich. Aber warum? Weil Geld die Plattformen regiert und wir für vermeintlich kostenlose Netzwerke trotzdem einen Preis zahlen, so zeigen sich die Interviewten in der Dokumentation einhellig überzeugt. «Wenn du nicht für das Produkt bezahlst, bist du das Produkt», erläutert der Hauptprotagonist Tristan Harris, der ehemals für die Design-Ethik bei Google tätig war. Hinter jeder kostenlosen Plattform stecke ein Geschäftsmodell, das Menschen an die Bildschirme fesseln solle.
«Es ist ein selbstzerstörerischer Code, der gerade jetzt in unsere Gesellschaft eingepflanzt wurde», sagte der Filmemacher Jeff Orlowski jüngst in einem AP-Interview. Begleitet werden die Aussagen von der fiktiven Geschichte einer Familie, die die schlimmen Folgen von Social Media verbildlicht. Durch die Musik und Stimmung der Szenen gleicht es einem Thriller, der veranschaulichen soll, wie die Familie durch die sozialen Medien in den Abgrund gerissen wird.
«Das Dilemma mit den sozialen Medien» lässt nur einen Schluss zu: Diese Plattformen werden unseren Untergang bedeuten, wenn sie weiterhin auf Werbung und Algorithmen bauen und dabei ethische Prinzipien vernachlässigen.
Doch wie soll man sich dem entziehen? Lösungsvorschläge werden am Schluss vor allem neben den Abspann gepackt. Der Film zeigt viele Probleme, doch Hilfestellungen, wie die ehemaligen Mitarbeiter der Plattformen selbst mit Social Media umgehen, gehen unter.
Trotzdem regt die Dokumentation zum Nachdenken an. Man überlegt, in welchem soziale-Medien-Sumpf man selbst unterwegs ist. Und der ein oder andere Blick auf das Smartphone wird vielleicht vermieden.
Jeder müsse diese Doku ansehen, schreibt die Schauspielerin Caitriona Balfe («Outlander»). Der Film sei enorm wichtig. «Und die Ironie, dass ich darüber twittere, ist mir nicht entgangen.» Sean John Combs, bekannt als Puff Daddy oder P.Diddy, twitterte: «Ich habe gerade #TheSocialDilemma gesehen, und ich denke, er hat den Titel «Film des Jahres» verdient oder sollte zumindest als bester Dokumentarfilm gewinnen.»
Der Filmemacher Jeff Orlowski ist vor allem für die preisgekrönten Filme «Chasing Coral» (2017) und «Chasing Ice» (2014) bekannt. Beide Dokumentationen machen auf die sich veränderte Natur aufmerksam: «Ich betrachte «Chasing Ice» nicht als einen Film über den Klimawandel. Ich sehe ihn gerne als eine Abenteuergeschichte.»