Zehn Jahre auf dem Thron: Steckt König Willem-Alexander in der Krise?
Seit dem Rücktritt seiner Mutter und der Amtsübergabe im April 2013 ist Willem-Alexander König der Niederlande. Doch zum zehnjährigen Thronjubiläum ziehen dunkle Wolken auf.
Es ist ein besonderer Tag, auch für einen Monarchen. Seine Majestät Willem-Alexander (55), König der Niederlande, begeht am 30. April 2023 sein zehnjähriges Dienstjubiläum. Solche Tage werden gemeinhin ausgelassen gefeiert. Doch die an sich ziemlich lässigen Holländer nehmen diesen Tag zum Anlass, eine Bilanz zu ziehen. Und die ist leider weniger zum Feiern geeignet.
Miese Umfragewerte
König Willem-Alexander und seine Frau, Königin Máxima (51), sind offenbar so unbeliebt wie nie zuvor, wie eine aktuelle Umfrage zeigt, an der im April 28.000 Holländerinnen und Holländer teilgenommen haben. Demnach vertrauen nur noch 53 Prozent der befragten Untertanen dem niederländischen Königspaar. Bei Willem-Alexanders Mutter und Vorgängerin, die heutige Prinzessin Beatrix (85), standen 2013 noch 80 Prozent hinter der niederländischen Monarchie.
Dieses schlechte Ergebnis wird durch das bessere Abschneiden von Königin Máxima (59 Prozent) noch geschönt. Willem-Alexander allein kommt bei der Umfrage auf nur 46 Prozent. Was ist im Königreich Niederlande geschehen? An und für sich ist der stattliche Willem-Alexander, der drei Tage vor dem Thronjubiläum am 27. April seinen 56. Geburtstag feiert, ein beliebter Herrscher.
Von «Prins Pilsje» zum energischen Staatsoberhaupt
Er ist ein Bild von einem Holländer, 1,83 Meter, um die 95 Kilo schwer, studierter Historiker, ehemaliger Brigadegeneral der Königlichen Luftwaffe und ausgebildeter Pilot, der auch für die holländische Airline KML geflogen ist und bis heute 150 Stunden im Jahr bisweilen selbst im Cockpit des Regierungsjets sitzt, um die Fluglizenz nicht zu verlieren. Ein rötlicher Vollbart kaschiert vorteilhaft seine Neigung zum Doppelkinn.
Vorbei sind die Zeiten, als der umtriebige Thronfolger als Partykönig und «Prins Pilsje» verhöhnt wurde. König Willem-Alexander ist zu einem jovialen, bei Bedarf auch energischen Staatsoberhaupt gereift, das sich um das Wohl des Volkes kümmert. Der TV-Journalist Jeroen Snel beschrieb es einmal so: «Er ist ein Staatsmann, ein echter Monarch. Er ist gross, hat eine gute Ausstrahlung und eine kräftige Stimme ... "
Königin Máxima: Landesmutter und Stil-Ikone Nr. 1
Seine Gemahlin Máxima wurde zeitweise sogar als «das Beste an der niederländischen Monarchie» gefeiert und verkörpert eine überaus herzliche Landesmutter. Gleichzeitig ist sie Hollands Stil-Ikone Nr. 1. Sogar die Schriftstellerin und Altlinke Marja Pruis lobte im Traditionsblatt «De Groene Amsterdammer» ihre Königin: «Sie strahlt Sex aus, aber gesunden Sex.»
Das war nicht immer so. Als Ende der 90er-Jahre bekannt wurde, dass sich der damalige Kronprinz Willem-Alexander mit der Argentinierin Máxima Zorreguieta, die in ihrer Ahnenliste immerhin den portugiesischen König Alfons III. (1210-1279) und eine Inka-Prinzessin aufführt, verloben wollte, löste er eine kleine Staatskrise aus. Eine Ehe des Thronfolgers musste auch politisch opportun sein, doch die meisten Holländer lehnten Máxima ab, weil ihr Vater Jorge Zorreguieta als Landwirtschaftsminister der berüchtigten Militär-Diktatur angehörte, die von 1976 bis 1983 in Argentinien gewütet hatte.
Willem liess sich nicht von seiner Brautwahl abbringen, im Gegenteil: Er signalisierte, dass er notfalls auf den Thron verzichten würde, um Máxima zu heiraten. Nach einer Intervention des damaligen Ministerpräsidenten Wim Kok stimmte das Parlament 2001 der Ehe zu.
Anlässlich der Verlobung meldete sich die Braut, eine studierte Wirtschaftswissenschaftlerin und ehemalige Mitarbeiterin der Deutschen Bank, in nahezu akzentfreiem Holländisch zu Wort: «Das niederländische Volk ist viel warmherziger, als ihr es selbst glaubt.»
Die Herzen im Sturm erobert
Damit hatte sie auf einen Schlag die Sympathien des Volkes. Die Hochzeit am 2. Februar 2002 wurde als ausgelassenes nationales Fest gefeiert, ebenso die Krönung von Willem-Alexander am 30. April 2013. «Er will's, er kann's, er tut's! Er ist König», jubelte die Historikerin und Hof-Insiderin Reinildis van Ditzhuyzen im ZDF.
Die königliche Familie um Willem-Alexander, der nahezu akzentfrei Deutsch spricht, entwickelte Vorbildcharakter. Mit ihren Töchtern, den Prinzessinnen Amalia (19), Alexia (17) und Ariane (16), demonstriert das Königspaar ein unkompliziertes Familienleben.
Der deutsche Journalist und Niederlande-Experte Christoph Driessen sah den König als beliebten Herrscher: «Willem-Alexander hat nicht den politischen Ehrgeiz seiner Mutter, er will in erster Linie verbinden, ermutigen, repräsentieren ... Dabei ist er spontaner, wärmer und weniger hoheitsvoll.» Allerdings: Bei den durch und durch demokratischen Holländern habe die Monarchie deutlich weniger Rückhalt als in vergleichbaren Monarchien.
Schwerwiegende Fehler in der Corona-Krise
Das bekam Willem-Alexander während der Corona-Krise zu spüren, was er freilich auch selbst verschuldet hatte: Während die Pandemie weltweit wütete, appellierte der König an sein Volk, zu Hause zu bleiben und sich so zu schützen. Er selbst jettete mit Familie im Regierungsflieger zur Ferienvilla nach Griechenland, während sich Holland im Lockdown befand. Das kam überhaupt nicht gut an, und Willem und Máxima entschuldigten sich in einer Videobotschaft: «Es schmerzt uns, dass wir Ihr Vertrauen missbraucht haben.»
Doch schon im Sommer 2021 flog die Familie erneut auf Regierungskosten in ihr griechisches Domizil. Und im Dezember desselben Jahres feierte die Königsfamilie gross den 18. Geburtstag der Kronprinzessin Amalia, während Partys für Normalos untersagt waren. «Die soziale Antenne der Oranjes ist nicht gut eingestellt», urteilte daraufhin der Historiker Gerard Aalders.
Volksnähe zum Thronjubiläum
Das haben die Niederländer offenbar bis heute ihrem König nicht verziehen, und der Monarch müht sich angestrengt, die Umfragewerte zu verbessern und Volksnähe zu zeigen. Anlässlich seines Thronjubiläums hat Willem-Alexander 100 Niederländerinnen und Niederländer zu einem gemeinsamen Mittagessen in seinen Palast Huis ten Bosch eingeladen. Es sei ihm «eine Herzensangelegenheit. In den vergangenen zehn Jahren habe ich viele Menschen kennengelernt, die sich grossartig für andere, für die Nachbarschaft oder für das Gemeinwohl einsetzen. Ich möchte diesen Menschen für ihr Engagement für die Niederlande danken», sagte der König in einer Videobotschaft.
An der Erstellung der Gästeliste konnte ganz Holland mitarbeiten. Das Volk wurde aufgerufen, 100 Landsleute zu nominieren, die etwas Besonderes geleistet haben. «Denken Sie sofort an diesen einen Menschen, diesen Helfer in der Not, diesen Leuchtturm in der Nachbarschaft, diesen Problemlöser, Schrittmacher, Versöhner, Inspirator oder Verbindungsmann? Dann nominieren Sie diese Person mit einer kurzen persönlichen Motivation», heisst es auf der Webseite des Palastes.
Nun dürfen die Auserwählten am 26. April gemeinsam mit dem Königspaar im «Oranjezaal» von Huis ten Bosch speisen. In einem kurzen Video ist Willem-Alexander zu sehen, wie er in der Palastküche bei den Vorbereitungen hilft ...
Dass diese Aktion die miesen Sympathiewerte ins Positive umkehrt, darf bezweifelt werden. Allerdings sprachen sich bei besagter Umfrage nur 24 Prozent für eine Abschaffung der Monarchie aus. Und: Das Vertrauen in den König ist immer noch grösser als in die Politik und die Medien des Landes.