Affenpocken: Verhängt der Bundesrat bald wieder Massnahmen?
Immer mehr Länder melden Fälle mit Affenpocken – auch die Schweiz. Könnten schon bald wieder behördliche Massnahmen bis hin zu Lockdowns verordnet werden?
Das Wichtigste in Kürze
- In verschiedenen Ländern ausserhalb Afrikas treten vermehrt Fälle von Affenpocken auf.
- Dies weckt Erinnerungen an die Anfangsphase der Corona-Pandemie.
- Massnahmen des Bundesrats wie Lockdowns sind beim Affenpockenvirus aber unwahrscheinlich.
Geht jetzt die ganze Übung wieder von vorne los? Das werden sich besorgte Mitmenschen gedacht haben, als sie von immer mehr Fällen mit Affenpocken in Grossbritannien hörten. Mittlerweile sind auch immer mehr Länder betroffen.
Auch die Schweiz registrierte am Samstag den ersten Fall. Dieser trat im Kanton Bern auf. Verordnet nun der Bundesrat bald wieder Masken, Händehygiene und Lockdowns?
Affenpocken ähnlich wie Pocken
Zuerst die gute Nachricht: Die Affenpocken sind nicht wirklich auf dem Radar der Schweizer Behörden. Und nun die schlechte: Die Affenpocken sind nicht wirklich auf dem Radar der Schweizer Behörden.
Auf den Zehntausenden von Seiten des BAG-Webauftritts finden sich die Affenpocken ein einziges Mal. Im Merkblatt zu den eigentlich ausgerotteten Pocken wird erwähnt, dass das Krankheitsbild nicht von demjenigen der Affenpocken zu unterscheiden sei.
Womit die Affenpocken eben doch wieder zum Thema für Bundesbern werden. Nebst vielen Tropen- und Geschlechtskrankheiten, Antibiotika-resistenten Bakterienstämmen sowie Pest und Cholera sind Pocken nämlich meldepflichtig.
Weil eine Ansteckung mit Affenpocken wie eine Pockenerkrankung aussieht, müsste diese gemeldet werden. Zuständig wären dann aber erst einmal die Kantone, wie das BAG auf Anfrage betont. Häufen sich die Meldungen, werden sie ein Fall fürs Epidemiengesetz. Also dasjenige Gesetz, auf welches sich der Bundesrat während der Covid-Pandemie massgeblich gestützt hat.
Hohe Hürden bis zum Lockdown
Allerdings musste der Bundesrat dazu erst einmal die «besondere Lage» erklären, später die «ausserordentliche Lage». Dazu müssen eine Reihe von Bedingungen erfüllt sein: die Gefährdung der öffentlichen Gesundheit etwa, oder schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft. Sofern das Affenpockenvirus nicht, wie das Coronavirus, zu einer schlimmeren Variante mutiert, scheint dies unwahrscheinlich.
Einerseits handelt es sich bei den Fällen in Grossbritannien um die mildere, westafrikanische Variante. Andererseits scheint sich die Krankheit selbst in dicht besiedelten Ländern wie Nigeria nicht rasant auszubreiten.
Zwar gibt es Unklarheiten bezüglich des Potenzials und der Ausbreitungswege des Affenpockenvirus. Doch im Gegensatz zum Coronavirus müsste eine Impfung nicht erst entwickelt werden – diese gibt es seit Jahrhunderten.
Impfpflicht: Bei Pocken ein Thema
Denn gegen Affenpocken schützt der Pocken-Impfstoff, welcher eigentlich aus abgeschwächten Kuhpockenviren hergestellt wird. Vermutlich schon vor Tausenden Jahren, sicher aber seit dem sechzehnten Jahrhundert gibt es Pockenimpfstoffe, die ältesten der Geschichte.
Es folgte auch die erste Impfpflicht der Welt, 1807 im Königreich Bayern. In Deutschland wurde die Impfpflicht gegen Pocken 1976 abgeschafft, nach über hundert Jahren. Seit 1980 gelten die Pocken als ausgerottet, in der Schweiz erinnern nur die typischen, kreisförmigen Impfnarben an (älteren) Oberarmen daran. Der Impfschutz dürfte mittlerweile auch bei mehrfach Geimpften minim sein, was wohl nun den Vormarsch des Affenpockenvirus begünstigt.
Entwicklungsländer haben den Impfstoff dagegen oft noch vorrätig. Zum Einsatz gelangt der Pockenimpfstoff auch bei den US-Streitkräften, falls Pockenviren als biologische Kampfstoffe eingesetzt werden sollten. Aus dem gleichen Grund ist in den USA auch ein antiviraler Wirkstoff gegen Pocken zugelassen.
Erstens kommt es anders…
Die Ausgangslage beim Affenpockenvirus ist also in mehrfacher Hinsicht eine andere als beim Coronavirus. Mit der Bekämpfung von Pockenviren hat man mehr Erfahrung. Und aus der Bewältigung der Corona-Pandemie sollten auch ein paar Lehren hängengeblieben sein. Bei den Affenpocken bislang wenig beachtete Faktoren könnten aber durchaus zu behördlichen Massnahmen führen.
So wird diskutiert, wie gut sich Affenpockenviren über Aerosole ausbreiten können. Weil Ansteckungen in Grossraumbüros kaum je ein Thema waren, gibt es hier noch Fragezeichen. Zum Thema werden damit wieder Lüften, Luftfilter und Luftqualitätssensoren. Diskussionen über Art und Verbindlichkeit von Massnahmen sind hier vorprogrammiert.
Gerangel zwischen Bund und Kantonen über Zuständigkeiten und das liebe Geld gehören genau so dazu. Ebenso wie Meldungen, dass das Affenpockenvirus sich jetzt doch nicht exakt so verhalte wie ursprünglich gedacht.