Europa rechnet mit Hunderttausenden Flüchtlingen aus Ukraine
Die Schweiz sei bereit, mehrere Tausend Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen. Der Grossteil dürfte aber in Nachbarländern bleiben.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zahl der Flüchtlinge aus dem Ukraine-Konflikt geht bereits in die Zehntausenden.
- Auch die Schweiz wäre bereit für die Aufnahme von schutzsuchenden Menschen.
- Theoretisch könnten hierzulande Tausende aufgenommen werden.
An der Grenze der Ukraine zu Moldawien habe sich bereits eine Autoschlange von 60 Kilometern Länge gebildet. Dies berichtet das Hilfswerk Helvetas aufgrund von Kontakten mit Partnerorganisationen vor Ort.
Auch die Schweiz sei vorbereitet auf die Aufnahme von Menschen, die wegen dem Ukraine-Krieg Schutz suchten, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter vor den Medien. Ihr untersteht auch das Staatssekretariat für Migration (SEM), wo man bestätigt: «Die Schweiz ist gewillt, sich solidarisch zu zeigen.»
Tausende oder gar Millionen Flüchtlinge im Ukraine-Krieg
Von osteuropäischen Amtskollegen habe sie Zahlen von bis zu fünf Millionen Flüchtlingen gehört, so Keller-Sutter. Sie zweifelt offenbar, ob diese Grössenordnung plausibel sei. Die Übersicht sei derzeit noch schwierig, heisst es auch beim UNHCR, dem Uno-Hochkommissariat für Flüchtlinge. Aber die Zahlen steigen stetig und rasch.
«Wir gehen davon aus, dass bereits am Donnerstag etwa 100’000 Menschen ihre Häuser verlassen haben und möglicherweise innerhalb des Landes geflüchtet sind», sagt Anja Klug, Leiterin UNHCR für die Schweiz und Liechtenstein. «Ausserdem haben in den ersten beiden Tagen der militärischen Auseinandersetzungen vermutlich bis zu 50'000 Menschen das Land bereits verlassen und halten sich in den Nachbarländern der Ukraine auf, primär in Polen und Moldawien.»
Schweiz nicht primäres Zielland
In Moldawien hätten die Behörden schon am Donnerstag rund 4000 Ankünfte gemeldet. Weitere Meldungen kamen aus Polen mit rund 30'000, Rumänien, der Slowakei und auch aus Russland. Beim SEM geht man aktuell davon aus, dass bei grösseren Fluchtbewegungen kurz- und mittelfristig primär die Nachbarstaaten betroffen sein dürften. Danach erst diejenigen Staaten mit einer grossen ukrainischen Diaspora, die in der Schweiz mit rund 7000 Personen eher klein sei.
Nichtsdestotrotz könnte die Schweiz theoretisch mehrere Tausend Flüchtende kurzfristig beherbergen. Rund die Hälfte der 5000 Plätze in den Bundesasylzentren sei im Moment nicht belegt, eine Notfallplanung sei vorhanden. Asyl brauchen ukrainische Staatsbürger indes keines: Ein biometrischer Pass berechtigt im Schengen-Raum zu 90 Tagen Aufenthalt ohne Visum.
Hilfsgüter-Depots innerhalb der Ukraine
Weil der Ukraine-Krieg an sich bereits seit 2014 andauert, trifft die aktuelle Krise die Hilfsorganisationen nicht gänzlich unvorbereitet. Seit der Besetzung der Krim durch Russland und dem Bürgerkrieg in der Ostukraine gibt es Hunderttausende Binnen-Flüchtlinge. «Wir haben an verschiedenen Orten in der Ukraine Vorräte an Hilfsgütern deponiert und sind bereit, dort zu bleiben und Hilfe zu leisten», betont Anja Klug.
Pläne für verschiedene Szenarien seien schon vor dem Angriff Russlands diese Woche vorhanden gewesen. «Es ging dabei darum, die rund 1,8 Millionen Menschen zu erreichen, die bereits vor den Feindseligkeiten humanitäre Hilfe benötigten.»
Schon zuvor gab es in der Ukraine etwa 5000 Flüchtlinge und Asylsuchende, zudem 36'000 Staatenlose oder Sans-papiers. Die Binnenvertriebenen, also solche Ukrainerinnen und Ukrainer, die in andere Landesteile flüchteten, schätzt das UNHCR auf über 850'000.