Gastro- & Uhrenindustrie kriegen am meisten Lohnerhöhung
Die Gewerkschaften und Berufsverbände konnten für 2023 die höchsten Lohnzuwächse der letzten 20 Jahre aushandeln. Gewisse Branchen profitieren mehr als andere.
Das Wichtigste in Kürze
- Die diesjährigen Lohnverhandlungen standen ganz im Zeichen des Teuerungsausgleiches.
- In 97 Prozent der Verhandlungen konnten generelle Lohnerhöhungen ausgehandelt werden.
- Durchzogene Gesamtbilanz: «Travail.Suisse» spricht von unvollständigem Teuerungsausgleich.
Arbeitnehmende in der Schweiz müssen in diesem Jahr einen Anstieg der Lebenshaltungskosten von bis zu vier Prozent stemmen: Dies entspricht dem stärksten Rückgang der Kaufkraft der letzten acht Jahrzehnte. Arbeitnehmende mit tiefen und mittleren Einkommen sind davon am stärksten betroffen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sie einen grösseren Anteil des Einkommens für Dienstleistungen und Waren ausgeben. Aus diesen Gründen standen die diesjährigen Lohnverhandlungen der Gewerkschaften und Berufsverbände ganz im Zeichen der Verteidigung der Kaufkraft.
Gemäss einer Medienmitteilung von «Travail.Suisse» konnten die Arbeitnehmervertretungen im Rahmen der diesjährigen Verhandlungen die höchsten Lohnzuwächse seit 20 Jahren erzielen. Trotzdem seien dieselben durchschnittlich nicht in der Lage, die Preissteigerungen auszugleichen – der Dachverband spricht deshalb von einer «durchzogenen» Bilanz.
Unbefriedigende Resultate im Gesundheitswesen und Detailhandel
Der zweitgrösste schweizerische Gewerkschafts-Dachverband hat am Montagmorgen mitgeteilt, dass in 97 Prozent der Verhandlungen generelle Lohnerhöhungen ausgehandelt werden konnten. Thomas Bauer, Leiter Wirtschaftspolitik bei «Travail.Suisse» hält im Generationenhaus in Bern fest: «In vielen Branchen konnten substanzielle generelle Lohnerhöhungen für die Arbeitnehmenden erzielt werden. Trotz anhaltend guter Wirtschaftslage zeigten sich allerdings zu viele Arbeitgeber knausrig und waren nicht bereit, die volle Teuerung auszugleichen.»
Dabei verweist «Travail.Suisse» insbesondere auf «unbefriedigende Resultate» in bestimmten Branchen: Primär im Detailhandel, im Holzbau und im Gesundheitswesen würden die Ergebnisse der «ausserordentlichen Situation der Teuerung» nicht ausreichend Rechnung tragen. Gleiches gelte für die Branche der Maler und Gipser, wie Johann Tscherrig von der Gewerkschaft «Syna» mitteilt.
Positive Ergebnisse im Gastgewerbe und der Uhrenindustrie
Von «positiven Ergebnissen» war indes in erster Linie im Gastgewerbe, in der Uhrenindustrie, im Gleisbau und im Schreinergewerbe die Rede. Urs Masshardt, Geschäftsleiter der «Hotel und Gastro Union» ist zufrieden: «Das Verhandlungsergebnis im Gastgewerbe werten wir als kleinen Erfolg. Für alle Arbeitnehmenden wird im Minimum die Teuerung auf dem Mindestlohn ausgeglichen. Zusätzlich gibt es für Arbeitnehmende mit Berufsabschluss sogar Reallohnzuwächse.»
Doch auch für Mitarbeitende in Reinigungsberufen in der Westschweiz konnte demnach ein Erfolg erzielt werden, gleiches gelte für das Baugewerbe. Auch im Bereich des öffentlichen Verkehrs und der öffentlichen Verwaltung konnten «zufriedenstellende» Lohnerhöhungen ausgehandelt werden.
«Die Verhandlungen im Baugewerbe waren zäh. Mit der pauschalen Erhöhung der Löhne um 150 Franken haben wir am Ende ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt,» so Tscherrig. Die jüngsten landesweiten Streiks haben also schon erste Früchte getragen.
Unvollständiger Teuerungsausgleich
Auch im kommenden Jahr würden die Lebenshaltungskosten weiter ansteigen, was auf Preissteigerungen, Inflation und steigende Krankenkassenprämien zurückzuführen sei. Demnach würden die erzielten Lohnzuwächse von durchschnittlich 2,5 Prozent hinter der Inflationsrate von 3 Prozent zurückbleiben. Aus diesem Grund spricht Thomas Bauer von einem unvollständigen Ausgleich der Inflation. Trotzdem zeigt sich der Gewerkschafter kämpferisch: «Nach den Lohnverhandlungen ist vor den Lohnverhandlungen.»
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Aus diesen Gründen wünscht sich der Gewerkschaftsdachverband einen automatischen Teuerungsausgleich. Dieser müsse wieder in alle Gesamtarbeitsverträge aufgenommen werden. Dabei seien neben der Arbeitgeberschaft auch die Politik in der Pflicht. Ferner forderten die Gewerkschafter griffige Massnahmen bei den zwei grössten Budgetposten der Schweizer Haushalte: Die Prämienverbilligungen müssten erhöht und ausgeweitet werden, überdies müssten die steigenden Wohnkosten begrenzt werden.