Ökopolitikerinnen wollen Selbstversorgung senken
Mit der Agrarpolitik 2022+ soll die Selbstversorgung der Schweiz sinken. Meret Schneider (GP) und Kathrin Bertschy (GLP) fänden das nur konsequent und ehrlich.
Das Wichtigste in Kürze
- Im August beginnen die eidgenössischen Räte mit der Behandlung der Agrarpolitik 2022+.
- Einer der Knackpunkte ist der Selbstversorgungsgrad der Schweiz, der sinken soll.
- Für Grüne und Grünliberale wäre die Senkung ehrlich.
Die Agrarpolitik 2022+ gehört zu den heisseren Eisen, die National- und Ständerat in nächster Zeit anfassen müssen. Im August 2020 geht es mit der Beratung in der Wirtschaftskommission der Kleinen Kammer los.
Eine heikle Sache, denn Landwirtschaft ist in der Schweiz ein emotionales Thema. Zudem wissen die Bauernverbände genau, wie sie ihre Interessen durchsetzen können.
Bauernverband hält wenig von Reduktion
Erste Scharmützel werden bereits ausgetragen. Für Aufsehen sorgte in den letzten Tagen beispielsweise die Aussage des Direktors des Bundesamtes für Landwirtschaft in der «NZZ». Es sei punktuell sinnvoll, mehr zu importieren, weil man so die Umwelt schonen könne; ein Statement, das beim Schweizerischen Bauernverband gar nicht gut ankam. Gemäss AP2022+ soll der Selbstversorgungsgrad der Schweiz von 56 auf 52 Prozent sinken.
In den Reihen der Öko-Parteien gibt die Botschaft des Bundesrates Anlass zur Hoffnung. «Es ist sicher besser, als das, was wir bisher haben. Wir bewegen uns in Richtung mehr Nachhaltigkeit und Tierwohl», sagt Grünen-Nationalrätin Meret Schneider zu Nau.ch.
Schneider will ganzheitliche Strategie
Vollends zufrieden ist sie aber nicht, denn die Gesamtsicht auf die Sache fehle. «Die Agrarpolitik 2022+ ist unambitioniert, es wäre eine ganzheitliche Strategie nötig. Es bringt, und da hat der Bauernverband recht, beispielsweise nichts, wenn wir für unsere Landwirte die Auflagen erhöhen und dafür einfach mit Mercosur-Staaten ein Freihandelsabkommen schliessen. So exportieren wir im Endeffekt Tierquälerei und Umweltverschmutzung einfach.»
Was die Senkung des Selbstversorgungsgrades angeht, ist Schneider auf der Seite des Bundesamtes für Landwirtschaft. «Ja, das kann ökologisch sinnvoll sein. Wenn wir jetzt mehr importieren, hat das keinen Einfluss auf die Überprüfbarkeit von ökologischen und Tierwohl-Standards.» Und apropos Selbstversorgung: «Wir importieren jedes Jahr 1,2 Millionen Tonnen Futtermittel, vor allem für Hühner und Schweine.»
«Wir sind nicht ehrlich»
«Wir können nicht von Selbstversorgung sprechen», sagt auch GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy. «Wenn wir einfach Vorleistungen wie Futter und Maschinen importieren, hier veredeln und uns über einen hohen Selbstversorgungsgrad freuen. Das ist nicht ehrlich.» Es werde Fleisch aus der Schweiz angepriesen, aber ehrlicherweise hätten die Tiere im Ausland gefressen.
Für die Bernerin ist die Agrarpolitik 2022+ auch finanziell ein Schlüsselgeschäft der nächsten Jahre. «Wir haben ökologische Ziele, aber wir geben trotzdem so viel Geld im Widerspruch dazu aus, gerade in der milliardenteuren Landwirtschaft», so Bertschy. Das ergebe keinen Sinn und sei sogar kontraproduktiv.
Deshalb ist auch sie froh über die Stossrichtung der AP2022+. Wenn auch nicht restlos zufrieden. «Die Botschaft ist besser, als ich das im Vorfeld erwartet hatte», so Bertschy, «Aber es reicht bei Weitem noch nicht. Verbindliche Massnahmen zur Reduktion von Pestiziden und Nitraten müssten beispielsweise zwingend aufgenommen werden.»
Startschuss für die Behandlung in den Räten ist im August 2020. Hitzige Diskussionen sind vorprogrammiert.