SP streitet über Verhältnis von Religion und Politik
SP-Politiker Wermuth, Funiciello und Marra streiten über das Verhältnis von Religion und Politik – und äussern dabei mutige Thesen. Auch zum Kapitalismus.
Das Wichtigste in Kürze
- Politisch rechts und christlich, das widerspricht sich, findet die SP-Vizepräsidentin.
- Auch Wermuth und Funiciello fordern mehr politische Auseinandersetzung mit der Religion.
Sie sind sich einig: Die Rolle der Religion wird gegenwärtig zu stiefmütterlich behandelt, auch und gerade in der Politik. Nationalrat und Ständeratskandidat Cédric Wermuth, Nationalrätin und SP-Vizepräsidentin Ada Marra und Juso-Präsidentin Tamara Funiciello.
Die drei SP-Persönlichkeiten sprechen dabei auch über den Sozialismus als Form der Nächstenliebe. Das Interview erschien in der Zeitschrift «Neue Wege – Religion. Sozialismus. Kritik».
Funiciellos Mutter wollte die Kirche abfackeln
Die SPler geben dabei Persönliches Preis. Tamara Funiciello hat in ihrer Kindheit in Süditalien negative Erfahrungen mit der Kirche gemacht.
«Als die Nonnen im Kindergarten herausfanden, dass ich nicht getauft bin, musste gebetet werden. Meine Mutter ist eingefahren und hat gedroht, die Kirche niederzubrennen, sollte so etwas erneut vorkommen. Das war quasi eine Brandmarkung im katholischen Dörfchen von 450 Seelen – eine, die wir nicht so schnell wieder los wurden.»
Heute sei sie aber pragmatisch. Wenn sich beispielsweise Vertreterinnen der Landeskirche am Frauenstreik beteiligen, wundere sie sich zwar, freue sich aber.
Auch für Wermuth war der Glaube früh ein Thema. «Mein Vater ist katholischer Secondo, meine Mutter kommt aus einem sehr religiösen, reformierten Elternhaus. Als Kinder haben wir Plakate gegen Atomwaffentests gemalt und Flyer für Fairtrade-Bananen verteilt», so der Doppelbürger.
«Das hat dann zu einigen Clashs geführt, als ich mit vierzehn, fünfzehn Jahren gemerkt habe, dass die Kirche andere Dinge vertrat, als das, was meine Mutter in ihr sah.» Danach habe er die Kirche aus dem Blick verloren.
Der Glaube an den Kapitalismus
Für Wermuth gibt es jedoch eine andere Art des Glaubens: Der Kapitalismus. Interessanterweise sei dieser zwar «ideologisch höchst effizient, ökonomisch aber überhaupt nicht.»
Für Wermuth führt das zur Frage nach der Gerechtigkeit Gottes: «Wenn es das Göttliche gibt, warum hungern dann eine Milliarde Menschen? Und wenn das Göttliche nicht allmächtig ist, warum brauchen wir es dann? Entweder gehört Gott vor Gericht, weil er das zulässt – oder er ist nicht göttlich.»
Für die gläubige Ada Marra liegt der Ball auch darum bei der Politik. «Nehmen wir zum Beispiel das Rettungsschiff Aquarius. Wer sich für die Rettung Geflüchteter auf dem Mittelmeer einsetzt, ist ein Gutmensch, das wird als Schwäche ausgelegt. Dabei ist es schlicht menschlich, den anderen Menschen nicht einfach ertrinken zu lassen.»
Das Bespiel zeigt: «Man kann nicht christlich und gleichzeitig rechts sein. Die Kernwerte der politischen Rechten sind nicht kompatibel mit dem Christentum. Jesus hat ja nicht vertreten, dass du in erster Linie Geld machen und dabei deine Nächsten verrecken lassen sollst.»