AfD: Zu früh, um optimistisch zu sein

Die AfD im Hoch – bald aber schon im Tief? Nach den landesweiten Protesten sind die Umfragewerte der rechtsextremen Partei im Sinkflug. Ein Experte ordnet ein.

Menschen versammeln sich am Sonntag, 21. Januar 2024, vor dem Reichstag in Berlin, um gegen die AfD und Rechtsextremismus zu demonstrieren. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach den Megaprotesten in Deutschland stürzen die Umfragewerte der AfD ab.
  • Beginnt nun der Totalabsturz der rechtsextremen Partei?
  • Für den Soziologen Dirk Baier ist es noch nicht so weit: Eine Basis bleibe der AfD noch.

Noch während der Proteste der Bauern war die Alternative für Deutschland (AfD) im Höhenflug: Auf bis zu 23 Prozent Wähleranteil kam die Partei gemäss Umfrage. Dann folgten die Massenproteste gegen die Oppositionspartei und deren Schmusekurs mit rechtsextremistischen Gruppierungen. Prompt verloren 1,5 Prozent der Wählerschaft das Interesse – der grösste Rückgang in einer Woche seit Februar 2022.

Noch kein Totalabsturz

Soziologe Dirk Baier kann sich den Sinneswandel in der Bevölkerung gut erklären. Denn der Zulauf zur AfD sei dadurch bedingt gewesen, dass die Mehrheit der Bevölkerung geschwiegen habe. «Dieses Schweigen wurde nun gebrochen», hält Baier fest: «Die Demonstrationen am Wochenende haben ein wichtiges Signal gesetzt.»

Wenn letzte Woche Bundestagswahlen gewesen wären, hätten praktisch alle Parteien Wählerprozente verloren (in Klammern der Vergleich zur Vorwoche). - INSA/Bild / Nau.ch

Nämlich dass die AfD-Positionen von einem Teil der Bevölkerung nicht geteilt werden. Die AfD habe sich aber auch selbst ein Bein gestellt: «Mit der Konferenz zur Remigration hat die AfD einen Schritt gemacht, der auch für einige AfD-Sympathisanten zu weit ging.» Ein Totalabsturz sei damit aber noch nicht eingeleitet: «Es ist zu früh, optimistisch zu sein», betont Baier.

Dirk Baier ist Soziologe und Professor an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW). - ZHAW

Die AfD könne weiterhin auf einen Teil der Bevölkerung mit gefestigt rechtsextremen Einstellungen zurückgreifen. Baier schätzt deren Anteil auf etwa zehn Prozent.

Streitigkeiten innerhalb der AfD entscheidend

Einen Absturz in die Bedeutungslosigkeit könnte es aber dereinst schon geben. Wohl aber nur dann, wenn sich die AfD intern bekämpfte, glaubt Dirk Baier. Das hiesse, dass sich verschiedene Personen mit verschiedenen Positionen innerhalb der Parteiorgane deutlich in Streit gerieten. Solches sei aktuell aber nicht festzustellen.

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«Wenn aber die Zustimmungswerte weiter fallen, kann ich mir gut vorstellen, dass diese Streitigkeiten ausbrechen», so Baier weiter. Denn dann gebe es Diskussionen, wer nun am Rückgang schuld sei. «In den vergangenen Monaten hat der Erfolg die Partei geeint; es ist zu hoffen, dass diese Einigkeit jetzt langsam verloren geht.»

Wie ehrlich sind die Umfrage-Teilnehmenden?

Auffallend ist, dass die etablierten Parteien von den Verlusten der AfD gar nicht profitieren. Im Gegenteil, die meisten haben ebenfalls leicht in der Wählergunst verloren. Ein halbes Prozent Zulauf erhalten einzig die Grünen, der Rest gibt an, nun «Sonstige» wählen zu wollen. Zu den Begünstigten zählt damit auch das neue Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

Sahra Wagenknecht setzt viel Hoffnung in die Wahlen in Ostdeutschland diesen Herbst. - Bernd von Jutrczenka/dpa

Wird BSW damit zur Alternative zur Alternative für Deutschland? Getrauen sich, wie in Nau.ch-Kommentaren angedeutet wird, viele nicht mehr zur AfD zu stehen und sind dann in Umfragen nicht ganz ehrlich? Soziologe Dirk Baier mag dies nicht so recht glauben.

Er hält eher das Gegenteil für wahrscheinlich: «Wenn sich Personen dauerhaft von der AfD abwenden, werden sie am Ende eher doch bei der CDU landen. Oder aber zu resignierten Nichtwählern werden.»

Mecklenburg-Vorpommern, Neubrandenburg: Demonstrierende halten Plakate «Omas gegen Rechts» hoch, am 21. Januar 2024. - keystone

Denn primär auf eine Person zu setzen und auf ein Sammelsurium von teilweise populistischen Inhalten, werde eher nicht erfolgreich sein. Allenfalls in Ostdeutschland, wo Die Linke eher verankert ist, könnten Personen von der AfD zur Wagenknecht-Partei wechseln.

Wie auch immer: Umfrageergebnisse seien keine Wahlergebnisse, mahnt Baier. «Wie es wirklich um die politische Lage bestellt ist, werden wir erst sehen, wenn die ersten Wahlen stattfinden.» Als Nächstes werden dies die Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Thüringen sein. «Ich hoffe sehr, dass diese Vorhersagen auf Basis von Umfragen am Ende nicht eintreten werden», sagt Baier.