Der Kampf ums Istanbuler Bürgermeisteramt
Nachdem die letzte Wahl annulliert wurde, wird am kommenden Sonntag in Istanbul erneut ein Bürgermeister gewählt. Die beiden Kandidaten sind im Endspurt.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Sonntag wird in Istanbul erneut ein neuer Bürgermeister gewählt.
- Zur Wahl stehen Ekrem Imamoglu und Binali Yildirim.
- Beide Kandidaten gehen im Endspurt in die Offensive.
Fernsehduell, Homestory und Anschuldigungen. Nach der Annullierung der Bürgermeisterwahl kämpfen Opposition und Erdogans AKP erneut um das Rathaus in Istanbul. Ekrem Imamoglu von der CHP gilt als Hoffnungsträger.
Doch am Sonntag muss sich der 49-jährige Imamoglu erneut gegen seinen Herausforderer, den ehemaligen Ministerpräsidenten Binali Yildirim, behaupten.
Imamoglu hatte die reguläre Kommunalwahl am 31. März knapp gewonnen. Dann aber hatte die islamisch-konservative Regierungspartei AKP Einspruch wegen angeblicher Regelwidrigkeiten eingelegt.
Anfang Mai annullierte die Hohe Wahlkommission das Ergebnis schliesslich, setzte Imamoglu ab und ordnete eine Wahlwiederholung am 23. Juni an - auf Druck von Präsident und AKP-Chef Recep Tayyip Erdogan, wie die Opposition kritisiert.
Historisches TV-Duell
Die Wahl wird auch international aufmerksam beobachtet. Erdogan-Verdrossene und die Opposition feiern Imamoglu als Hoffnungsträger nicht nur für Istanbul, sondern für das ganze Land. Er ist zum Symbol geworden für die Hoffnung, dass in der Türkei auf demokratischem Weg doch ein Wandel möglich ist. Einige sehen in ihm sogar schon den nächsten Präsidenten.
Aus der AKP heisst es, selbst parteiinterne Umfragen zeigten Imamoglu vorne. Dementsprechend nervös erscheint die Regierungspartei. Ihr Kandidat Binali Yildirim stellte sich der Opposition am Sonntag sogar zum ersten Mal seit langem in einem TV-Duell.
Im TV-Duell gegen Imamoglu wirkt er manchmal unbeholfen, aber durchaus sympathisch. Dass sich die AKP seit ihrem Machtantritt im Jahr 2002 in einem Fernsehduell der Opposition stellte, war ein historischer Moment.
Die Istanbuler fieberten ihm entgegen wie einem Spiel der Fussballnationalmannschaft. Die beiden Gegner diskutieren über Themen wie Arbeitslosigkeit, Armut und das Verkehrsproblem.
Es ging nicht nur harmonisch zu. Yildirim bezeichnet Imamoglu als «Lügner». Imamoglu wiederum beschuldigt die AKP, öffentliche Gelder zu verschwenden.
Endspurt vor der Neuwahl
Beide Seiten geben kurz vor der Wahl alles. Imamoglu, der für die grösste Oppositionspartei CHP antritt, trifft Wirtschaftsvertreter, hält Reden und zeigt sich auch in konservativen Stadtteilen. Er versucht, vor allem Jugendliche anzusprechen, und die danken es ihm. Die CHP-Anhänger glauben fest an Imamoglus Sieg und daran, dass die Wahl fair abläuft.
Die AKP wiederum versucht, so viele Wähler wie möglich zu mobilisieren. Dabei führt die Partei einen völlig anderen Wahlkampf als noch vor dem 31. März. Einer ist überhaupt nicht präsent - und das ist Erdogan.
Analysten vermuten, dass der türkische Präsident sich aus der Schusslinie nehmen will. Für den Fall, dass die AKP doch verlieren sollte. Auch auf den Plakaten ist nun nur Yildirim zu sehen; die Slogans thematisieren Sorgen der Bürger wie die Arbeitslosigkeit.