Grossbritannien beklagt zunehmende Ärmelkanal-Überfahrten von Migranten
Die steigende Zahl illegaler Überquerungen des Ärmelkanals sorgt für neue Spannungen zwischen Grossbritannien und Frankreich.
Das Wichtigste in Kürze
- Über 1000 Überfahrtversuche am Donnerstag - Paris weist Kritik aus London zurück.
«Die britische Öffentlichkeit hat genug davon, Menschen im Ärmelkanal sterben zu sehen, während skrupellose kriminelle Banden von ihrem Elend profitieren», erklärte ein britischer Ministeriumssprecher am Freitag. «Die Zahl der illegalen Migranten, die Frankreich (am Donnerstag) verlassen haben, ist inakzeptabel.»
Am Donnerstag wurde demnach mit 1185 versuchten illegalen Überfahrten binnen eines Tages ein neuer Höchstwert verzeichnet. Nach Angaben des Innenministeriums wurden am Donnerstag auf britischer Seite bei 33 Einsätzen zahlreiche Migranten gerettet oder abgefangen. Der britische Ministeriumssprecher verwies auf eine geplante Änderung des Asylgesetze, um «das fehlerhafte System in Ordnung zu bringen».
Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin wies die britischen Anschuldigungen in diesem Zusammenhang am Freitag scharf zurück: «Es ist nicht hinnehmbar, dass wir beschuldigt werden, Migranten zu instrumentalisieren und die Aktivitäten krimineller Gruppen zu befürworten, während unsere Kräfte täglich im Einsatz sind, um Leben zu retten», sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
Die französischen Behörden hinderten am Donnerstag nach eigenen Angaben bei sieben Einsätzen insgesamt 99 Migranten an einer Überfahrt. Sie teilten ausserdem mit, dass drei Migranten, die in Kajaks aufgebrochen seien, vermisst werden. Ihre Boote seien in der Nähe von Calais angeschwemmt worden. Zwei Überlebende hätten berichtet, dass drei weitere Menschen in den Kajaks gewesen sein. Die Suche nach ihnen wurde abgebrochen.
Zwischen Januar und Ende September haben knapp 30.000 Migranten versucht, über den Ärmelkanal nach Grossbritannien zu gelangen, unter ihnen vermutlich auch welche, die es mehrfach versucht haben. Laut der Präfektur der Region Pas-de-Calais haben es etwas mehr als die Hälfte geschafft. Einer Zählung der britischen Nachrichtenagentur PA zufolge ist seit Jahresbeginn etwa 21.000 Migranten die Überfahrt nach Grossbritannien gelungen - mehr als doppelt so vielen wie im gesamten Jahr 2020.
Die Migranten nutzen oft seeuntaugliche Boote und zahlen Schleppern hohe Preise für die Überfahrt nach England. Viele wollen nach Grossbritannien, weil sie die Sprache sprechen und dort bereits Bekannte oder Verwandte haben. Der Anstieg der Zahlen dürfte damit zu tun haben, dass die Überfahrt mit den sinkenden Temperaturen demnächst noch gefährlicher wird. Die am Donnerstag verzeichnete Zahl von mehr als tausend Überfahrtversuchen übertraf deutlich den bisherigen Höchstwert von 853, der Anfang November registriert worden war.