Erdogan: «Organisierte Verbrechen» für Wahlergebnis in Istanbul verantwortlich
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat «organisierte Verbrechen» für das schlechte Abschneiden seiner Partei AKP bei der Kommunalwahl in der türkischen Metropole Istanbul verantwortlich gemacht.
Das Wichtigste in Kürze
- Oppositionskandidat wird in Ankara zum Sieger erklärt.
«Es ist zu Diebstahl an den Wahlurnen gekommen», sagte Erdogan am Montag vor seiner Abreise zu einem Staatsbesuch in Russland. Unterdessen wurde der Kandidat der oppositionellen CHP in der Hauptstadt Ankara offiziell zum Wahlsieger gekürt.
Nach vorläufigen Ergebnissen hatte Erdogans AKP bei den Kommunalwahlen am 31. März eine herbe Niederlage erlitten: Zwar gewann sie landesweit die meisten Stimmen, verlor aber ersten Auszählungen zufolge die Bürgermeisterposten in der Hauptstadt Ankara und dem wirtschaftlichen Zentrum Istanbul an die Opposition der linksnationalistischen CHP. Die AKP hatte daraufhin die Wahlergebnisse in Ankara und Istanbul angefochten und Neuauszählungen durchgesetzt.
Innerhalb einer Woche schmolz der Vorsprung des oppositionellen Istanbuler Kandidaten Ekrem Imamoglu nach Angaben der Hohen Wahlkommission von 20.000 auf weniger als 16.000 Stimmen. «Niemand hat das Recht, sich bei einem Vorsprung von 13.000 bis 14.000 Stimmen zum Sieger zu erklären», sagte Erdogan.
Es habe bei der Auszählung nicht nur «Unregelmässigkeiten hier und dort» gegeben, sondern alles in Istanbul sei «unkorrekt» gewesen. Die Worte des türkischen Präsidenten lassen darauf schliessen, dass er die Wahlergebnisse weiterhin anfechten will.
In Ankara sprach die Oberste Wahlkommission unterdessen offiziell dem CHP-Kandidaten Mansur Yavas das Mandat zu. Hier war eine komplette Neuauszählung abgelehnt worden. Lediglich in zwölf von 25 Wahlbezirken wurden die Ergebnisse erneut überprüft.
Die Wähler in den beiden Grossstädten hatten die AKP offenbar für ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik abgestraft: Die Türkei leidet unter einer Rezession und einer zweistelligen Inflation.
Das Ergebnis ist auch persönlich ein Rückschlag für den Präsidenten, der seit 16 Jahren an der Macht ist. Er hatte die Kommunalwahlen zu einer Art Referendum über seine Politik gemacht. Zudem wuchs Erdogan im Istanbuler Arbeiterviertel Kasimpasa auf und legte als Bürgermeister der 15-Millionen-Metropole den Grundstein für seine politische Karriere.
Nach Angaben der baden-württembergischen Bundestagsabgeordneten Margit Stumpp (Grüne) waren Oppositionspolitiker vor der Wahl mit Gefängnis bedroht worden, sollten sie gewinnen. Westliche Staaten kritisieren Erdogan bereits seit langem, da er regelmässig den Rechtsstaat ausheble und Kritiker verfolge.