Urteil über Zwangspause des britischen Parlaments Anfang kommender Woche geplant
Der Oberste Gerichtshof Grossbritanniens will sein Urteil über die von Premierminister Boris Johnson verfügte Zwangspause für das Parlament Anfang kommender Woche fällen.
Das Wichtigste in Kürze
- Finnische EU-Ratspräsidentschaft erhöht im Brexit-Streit Druck auf London.
Die zu entscheidende Frage sei «nicht einfach», sagte Gerichtspräsidentin Brenda Hale am Donnerstag nach dreitägiger Anhörung. Die finnische EU-Ratspräsidentschaft erhöhte derweil im Ringen um den EU-Austritt Grossbritanniens den Druck auf London.
«Wir wissen, dass der Fall so schnell wie möglich gelöst werden muss», sagte Hale. «Wir hoffen, in der Lage zu sein, unsere Entscheidung Anfang kommender Woche verkünden zu können.» Zugleich betonte die Gerichtspräsidentin, dass es bei dem anstehenden Urteil «nicht darum geht, wann und unter welchen Bedingungen das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlässt. Das Urteil in diesem Fall wird dies nicht entscheiden.»
«Es ist keine einfache Frage und wir werden nun sorgsam alle Argumente prüfen, die uns präsentiert wurden», sagte Hale zum Abschluss der am Dienstag begonnenen Anhörung vor dem Obersten Gerichtshof. Konkret geht es um zwei Klagen: eine von der Anti-Brexit-Aktivistin Gina Miller und eine von 78 Parlamentariern. In beiden Fällen geht es darum, ob Johnson rechtmässig handelte, als er Königin Elizabeth II. die Parlamentsvertagung empfahl.
Johnsons Entscheidung, dem Parlament vor dem für den 31. Oktober geplanten EU-Austritt Grossbritanniens eine fast fünfwöchige Sitzungspause aufzuerlegen, hatte landesweite Proteste hervorgerufen. Kritiker halten dem konservativen Regierungschef vor, das Parlament ausgerechnet zu den entscheidenden Brexit-Zeiten aushebeln zu wollen und so die Demokratie zu untergraben.
Johnsons Anwälte dagegen blieben auch vor Gericht bei der Darstellung, dass es sich um einen Routinevorgang handele und die Regierung durch die Zwangspause nur Zeit haben wollte, das neue Regierungsprogramm vorzubereiten.
Allerdings liess ausgerechnet einer von Johnsons konservativen Vorgängern die Argumentation des Premierministers vor Gericht zerpflücken. Die Angaben von Johnson könnten «nicht wahr» sein, erklärte der Anwalt von Ex-Regierungschef John Major. In einem völlig ungewöhnlichen Angriff unter Parteikollegen zeigte sich Major überzeugt, dass Johnsons Entscheidung allein motiviert gewesen sei «durch sein politisches Interesse, keine Parlamentsaktivitäten zu haben», bevor es am 17. und 18. Oktober zum entscheidenden EU-Gipfel zum Brexit komme.
Die finnische EU-Ratspräsidentschaft erhöhte derweil im Ringen um den EU-Austritt Grossbritanniens den Druck. Die Regierung in London müsse bei der EU bis Ende September einen «schriftlichen Vorschlag» einreichen, forderte ein Sprecher des finnischen Ministerpräsidenten Antti Rinne. Nur so könne sie einen Brexit ohne Abkommen verhindern.
Dagegen kündigte ein Sprecher Johnsons an, London werde «förmliche schriftliche Lösungen» vorschlagen, wenn diese fertig seien, jedoch nicht aufgrund «einer künstlichen Frist».
Die EU-Kommission erhielt nach eigenen Angaben inzwischen aus London «Schriftstücke», in denen es um eine mögliche Brexit-Vereinbarung gehe. Es sei allerdings noch zu früh, um zu beurteilen, ob es sich um einen Lösungsvorschlag handele.
Der britische Brexit-Minister Stephen Barclay will sich am Freitag mit dem EU-Unterhändler Michel Barnier in Brüssel treffen. Zudem ist nach Angaben aus EU-Kreisen in der kommenden Woche in New York ein erneutes Treffen von Johnson und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker geplant.