Maltas Regierungschef erwägt im Skandal um Mord an Journalistin offenbar Rücktritt
Zwei Jahre nach dem Mord an der Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia steht Maltas Regierungschef Joseph Muscat offenbar vor einem Rücktritt.
Das Wichtigste in Kürze
- Wachsender Druck auf Muscat von vielen Seiten.
Die Zeitung «Times of Malta» berichtete am Freitag, Muscat habe Vertrauten gesagt, er plane unverzüglich zurückzutreten. Für scharfe Kritik hatte zuvor die Entscheidung seiner Regierung gesorgt, einem verdächtigen Geschäftsmann keine Straffreiheit im Gegenzug für eine Aussage zuzusichern - während Muscats Ex-Kabinettschef zwei Tage nach seiner Festnahme wieder freigelassen wurde.
Muscat hatte nach einer stundenlangen Krisensitzung seines Kabinetts am Morgen bekanntgegeben, dass dem Geschäftsmann Yorgen Fenech keine Immunität gewährt werden solle. Damit folge die Regierung Empfehlungen von Polizei und Justiz. Der Mordfall solle «unter seiner Aufsicht» aufgeklärt werden.
Als Muscat, dem die Familie der ermordeten Journalistin schon lange vorwirft, die Täter zu decken, vor die Presse trat, waren auf dem Platz vor dem Gebäude die Rufe wütender Demonstranten zu hören. Die Opposition forderte Muscat zum Rücktritt auf. Den später veröffentlichten Bericht der «Times of Malta» zu einem möglichen Rücktritt des Regierungschefs konnte die Nachrichtenagentur AFP zunächst nicht verifizieren.
Muscat erklärte, er habe sich bei der Entscheidung zu Fenech wegen Befangenheit enthalten. Fenech habe ihm gedroht, ihn in den Skandal hineinzuziehen, sollte ihm keine Immunität gewährt werden. Die versuchte Erpressung habe er der Polizei gemeldet, erklärte der Regierungschef.
Die 53-jährige Caruana Galizia war am 16. Oktober 2017 bei einem Bombenanschlag auf ihr Auto getötet worden. Ihre Ermordung löste europaweit Entsetzen aus. Die Journalistin hatte regelmässig über Korruption, Geldwäsche, Vetternwirtschaft und andere illegale Geschäfte in Malta berichtet. Verwickelt waren auch Mitglieder der Regierung.
Am Dienstag traten Muscats Kabinettschef Keith Schembri und Tourismusminister Konrad Mizzi zurück. Wirtschaftsminister Chris Cardona legte sein Amt für die Dauer der Ermittlungen nieder.
Der Geschäftsmann Fenech war vergangene Woche auf seiner Jacht vor der Küste Maltas festgenommen worden, als er versuchte, von der Mittelmeerinsel zu flüchten. Muscat hatte zuvor angeboten, einen mutmasslichen Mittelsmann zu begnadigen, sollte dieser gesicherte Informationen zum Drahtzieher des Mordes liefern.
Caruana Galizias Familie hält Fenech für einen der Auftraggeber des Mordes. Nach Angaben aus Ermittlerkreisen hat er im Polizeiverhör aber Muscats langjährigen Büroleiter Schembri beschuldigt, den Mord an Caruana Galizia in Auftrag gegeben zu haben.
Schembri war unmittelbar nach seinem Rücktritt am Dienstag festgenommen worden. Am Donnerstagabend liess die Polizei ihn überraschend wieder frei. Caruana Galizias Familie regierte empört auf die Freilassung und warf Muscat vor, in den Mordermittlungen «Richter, Geschworener und Henker» zu sein. Sie kündigte für Freitagabend neue Proteste an.
Fenech hatte nach seiner Festnahme angeboten, umfassend zu dem Mordfall auszusagen, er hatte dafür wie der Mittelsmann Straffreiheit gefordert. Diese Forderung lehnte Muscats Regierung in der nächtlichen Krisensitzung nun ab.
Caruana Galizias Recherchen und Enthüllungen hatten sich zum Grossteil um den «Panama Papers»-Skandal und um Korruption in Malta gedreht. Sie fand dabei Dokumente, denen zufolge der damalige Energieminister und bisherige Tourismusminister Mizzi sowie der langjährige Kabinettschef Schembri Firmen in Panama unterhielten, die rund zwei Millionen Euro von der Firma 17 Black erhielten. Die in Dubai ansässige Firma gehört dem Geschäftsmann Fenech.
Die Menschenrechtskommissarin des Europarats, Dunja Mijatovic, forderte die Regierung von Malta auf, «völlig unabhängige» Ermittlungen des Mordfalls zu gewährleisten. «Der Fall der Ermordung einer Journalistin geht uns alle in Europa an», sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin. Es sei wichtig, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden.