Nahles will Wahl zu Fraktionsvorsitz auf nächste Woche vorziehen

Nach dem Wahldesaster der SPD stellt sich Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles ihren innerparteilichen Gegnern: Nahles setzte für kommende Woche vorgezogene Wahlen zum Fraktionsvorsitz an und forderte ihre innerparteilichen Gegner zur Kandidatur auf.

SPD-Chefin Andrea Nahles - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • SPD-Chefin fordert Kritiker zu Kandidatur auf: «Dann schaffen wir Klarheit».

«Dann schaffen wir Klarheit», sagte sie am Montagabend im ZDF. Sie selber wolle erneut für den Fraktionsvorsitz kandidieren.

Nahles begründete ihre Entscheidung mit der lauter werdenden Kritik innerparteilicher Gegner. «Wenn ich herausgefordert werde, gehe ich mit offenem Visier vor», sagte sie. Bei der Wahl am Dienstag kommender Woche «sollen diejenigen sich hinstellen und sagen: Ich kandidiere.»

Nahles weiss nach eigenen Angaben nicht, ob der frühere Parteichef Martin Schulz in der Fraktion gegen sie antreten werde. Medienberichten zufolge hat Schulz Ambitionen auf den Fraktionsvorsitz. Regulär hätte der Fraktionsvorstand erst nach der Sommerpause gewählt werden müssen.

Nach der historischen Niederlage ihrer Partei bei den Europa- und Bremenwahlen steht Nahles innerparteilich unter grossem Druck. Am Nachmittag waren Forderungen nach einer Sondersitzung der SPD-Fraktion in der kommenden Woche laut geworden. Der SPD-Abgeordnete Michael Gross forderte dies in einem Schreiben an Nahles, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.

«Nach den sehr bedauerlichen und desaströsen Ergebnissen der SPD bei den Wahlen muss klargestellt werden, ob die SPD-Bundestagsfraktion hinter ihrer Vorsitzenden steht oder nicht», schrieb Gross. «Entweder sie wird breit gestützt oder nicht.»

Zu AFP sagte Gross vor Nahles' Wahlankündigung, es gehe ihm nicht darum, jemanden zu stürzen. Er wolle aber, «dass man nicht über uns redet, sondern mit der Fraktion», fügte der Abgeordnete aus dem nordrhein-westfälischen Recklinghausen hinzu. Nach der «langen Niederlagenserie» der SPD müsse «sofort geredet» werden.

Bereits seit Tagen gibt es Berichte, denen zufolge Ex-Parteichef Schulz die Fraktionschefin herausfordern könnte. Die «Bild am Sonntag» hatte dies unter Berufung auf mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete berichtet. «Martin verspricht ganz klar, dass er gegen Andrea antreten wird», zitierte die Zeitung einen Schulz-Vertrauten. «Er hat nichts mehr zu verlieren», sagte der Vertraute demnach weiter.

In dem ZDF-Interview sagte Nahles am Abend, sie selbst sei bereit, weiter als Partei- und Fraktionschefin Verantwortung für die SPD zu übernehmen. Sie wolle «jetzt nicht die Klamotten hinzuwerfen». Personaldebatten halte sie für «nicht sinnvoll», sagte sie. «Wir haben in der Vergangenheit von den Personalwechseln - und davon gab es ja viele - nicht wirklich gewonnen.»

Nahles zeigte sich grundsätzlich bereit, die grosse Koalition mit der Union fortzusetzen. Zur Frage der weiteren Regierungszusammenarbeit sagte sie im ZDF: «Wenn wir weiter gemeinsam gute Politik machen - dann ja. Wenn wir es nicht schaffen - dann nein.»

Bereits am Nachmittag hatte Nahles eine Klausurtagung des Parteivorstands für kommende Woche angekündigt. Dabei solle es um die Frage gehen, wie die SPD «mehr klare Positionierungen» erreichen könne, etwa «beim Thema Klima und Arbeit». Auch werde die Frage diskutiert, wie die SPD wieder mehr «Strategiefähigkeit» erlangen könne. Weiteres Thema sei die «Profilbildung in der Regierung insgesamt», sagte Nahles.

Die Tatsache, dass die SPD bei der Europawahl zum ersten Mal bei einer bundesweiten Abstimmung auf Platz drei landete, «ist für uns alle eine Zäsur», sagte Nahles. «Der Ernst der Lage ist allen vollkommen klar.» Daher müssten nun auch Entscheidungen gefällt werden, und zwar «schon nächste Woche».

Die SPD hatte bei der Europawahl am Sonntag nur 15,8 Prozent der Stimmen erreicht. Bei der Bürgerschaftswahl in Bremen wurden die Sozialdemokraten zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg nicht stärkste Kraft.