Neue Schlappe vor Gericht für Bundeswahlleiter Thiel

Bundeswahlleiter Georg Thiel hat im Rechtsstreit mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa um die Befragung von Briefwählerinnen und Briefwählern vor der Bundestagswahl erneut eine Schlappe erlitten.

Justitia - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Forsa darf auch Befragungen von Briefwählern veröffentlichen.

Der hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel stellte in einer am Mittwoch verkündeten Entscheidung fest, dass die Veröffentlichung von Wahlumfragen zulässig ist, denen auch die nicht gesondert ausgewiesenen Angaben von Briefwählern über ihre bereits getroffene Wahlentscheidung zugrunde liegen. (AZ: 8 B 1929/21)

Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte damit eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, die Thiel zuvor angefochten hatte. (AZ: 6 L 1174/21.WI) Forsa begrüsste die Entscheidung, gegen die nun keine Rechtsmittel mehr zulässig sind.

Die Briefwahl falle «nach dem eindeutigen Wortlaut und der Gesetzessystematik nicht unter das in Paragraf 32, Absatz 2 des Bundeswahlgesetzes normierte Verbot der Veröffentlichung von Ergebnissen von Wählerbefragungen 'nach der Stimmabgabe' vor Ablauf der 'Wahlzeit'», teilte der Verwaltungsgerichtshof mit. Das Bundeswahlgesetz differenziere zwischen der Stimmabgabe am Wahltag im Wahlraum einerseits und der Briefwahl andererseits. Zudem knüpfe das Verbot mit dem Begriff der «Wahlzeit» an die Möglichkeit der Stimmabgabe in den Wahllokalen zwischen 08.00 Uhr und 18.00 Uhr an.

Der Bundeswahlleiter hatte Forsa und andere Meinungsforschungsinstitute Anfang September unter Androhung eines Bussgelds von 50.000 Euro aufgefordert, im Zusammenhang mit der Sonntagsfrage zur Bundestagswahl keine Umfragen mehr zu veröffentlichen, in die Briefwahlergebnisse mit einbezogen sind. Er hatte sich dabei auf den Passus im Bundeswahlgesetz berufen. Eine derart extensive Auslegung der betreffenden Vorschrift kommt dem Verwaltungsgerichtshof zufolge jedoch nicht in Betracht.

Forsa erhob gegen den Bundeswahlleiter Klage wegen indirekter Wahlmanipulation und war damit nun in letzter Instanz erfolgreich. Bereits das Verwaltungsgericht hatte zuvor darauf hingewiesen, die Veröffentlichung von Wählerumfragen gehöre zum politischen und demokratischen Prozess und sei ein zulässiger Beitrag zum öffentlichen Diskurs gerade im Vorfeld einer Wahl. Mit seiner Bussgeldandrohung habe Thiel daher die Grundrechte der Meinungsforscher verletzt.

Der Beschluss des hessischen Verwaltungsgerichtshofs bestätige somit «die Rechtsauffassung von Forsa, dass auf die im Rahmen seriöser Wahlforschung notwendige Befragung von Briefwählern nicht verzichtet werden muss», erklärte das Meinungsforschungsinstitut zu der Entscheidung aus Kassel. Damit könne Forsa «wie bisher regelmässig unsere Informationen über die politische Stimmung» der Öffentlichkeit übermitteln, erklärte Forsa-Chef Manfred Güllner.

Bereits zuvor hatte Forsa deutlich gemacht: «Auf die Befragung von Briefwählern zu verzichten, wäre für uns keine Alternative gewesen.» Dies wäre dem Institut zufolge mit seriöser Wahlforschung nicht zu vereinbaren gewesen.