Syrische Kurdenmiliz beginnt Abzug von türkischer Grenze
Nach der Vereinbarung der Türkei und Russlands zu Nordsyrien haben die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) am Donnerstag mit dem Abzug ihrer Truppen von der türkischen Grenze begonnen.
Das Wichtigste in Kürze
- USA warnen Nato-Partner Türkei vor weiterer Annäherung an Russland.
Die russische Militärpolizei und syrische Regierungstruppen rückten ihrerseits in das Grenzgebiet vor, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte. Die USA warnten derweil ihren Nato-Partner Türkei vor einer weiteren Annäherung an Russland.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Dienstag mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin in Sotschi vereinbart, dass die russische Militärpolizei in Abstimmung mit den syrischen Regierungstruppen für den Abzug der YPG-Kämpfer aus einem 30 Kilometer breiten Streifen entlang der Grenze sorgen solle. Die türkische Armee hatte zuvor bereits einen 120 Kilometer langen Grenzabschnitt zwischen Tal Abjad und Ras al-Ain erobert.
Gemäss der Vereinbarung von Sotschi sollen sich die YPG-Truppen nun aus dem restlichen Grenzgebiet westlich von Tal Abjad und östlich von Ras al-Ain zurückziehen. Am Mittwoch rückten erste russische Militäreinheiten zur Grenze vor. Nach Angaben der Beobachtungsstelle räumten am Donnerstag die von der YPG-Miliz dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) ihre Stellungen zwischen Derbasijeh und Amuda.
Es blieben aber weiterhin viele YPG-Kämpfer an der Grenze, erklärte die Beobachtungsstelle. Nahe Tal Tamr habe es zudem Gefechte zwischen kurdischen Kämpfern und syrisch-arabischen Milizen gegeben, welche die türkischen Streitkräfte bei ihrer Offensive unterstützen. Nach dem Abzug der YPG-Kämpfer soll es gemeinsame türkisch-russische Patrouillen in zehn Kilometer breiten Abschnitten entlang der Grenze geben.
Der SDF-Kommandeur Maslum Abdi dankte in einem Telefonat mit dem russischen Verteidigungsminister, dass Russland der Bevölkerung die «Geissel» des Krieges erspart habe. Er habe aber auch «Vorbehalte gegenüber einigen Punkten» der Vereinbarung mit der Türkei geäussert, erklärten die SDF. Diese erforderten «weitere Diskussionen». Für die Kurden bedeutet die Vereinbarung de facto das Ende ihrer Autonomie in Syrien.
Die Verwaltung der kurdischen Autonomiegebiete im Nordosten hatte wegen der türkischen Offensive und des Abzugs ihrer US-Verbündeten keinen Ausweg gesehen, als die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad zu Hilfe zu rufen. Assad habe durch die jüngsten Entwicklungen «ein Drittel seines Territoriums zurückerhalten, ohne einen Schuss abzugeben», sagte der Syrien-Experte Fabrice Balanche.
US-Präsident Donald Trump war im In- und Ausland scharf dafür kritisiert worden, mit der Entscheidung zum Abzug seiner Truppen aus Nordsyrien den Weg für die türkische Offensive freigemacht zu haben - gegen die einst verbündete YPG-Miliz. Den Stopp der Offensive nach der Vereinbarung von Sotschi wertete Trump am Mittwoch dennoch als «grossen Durchbruch» für die Region und «Ergebnis» seiner eigenen Politik.
Ungleich kritischer bewertete Trumps Verteidigungsminister Mark Esper die Lage. Das Vorgehen der Türkei sei «ungerechtfertigt» und habe die USA «in eine schreckliche Lage gebracht», sagte er vor einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel. Angesichts der Annäherung an Russland warnte er den Nato-Partner davor, sich weiter «in die falsche Richtung» zu bewegen. Ankara müsse wieder «der verlässliche Alliierte» von früher werden.
Bei dem Nato-Treffen will Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ihren Plan für eine international kontrollierte Sicherheitszone in Nordsyrien vorstellen. Er war bei den Bündnispartnern im Vorfeld auf ein gemischtes Echo gestossen. Esper sagte, er habe den deutschen Vorschlag «nicht gelesen oder Details gesehen». Er würde ein militärisches Engagement Deutschlands in Syrien aber begrüssen.