Orban baut seine Macht inmitten der Corona-Krise massiv aus

Inmitten der Corona-Krise hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban seine Macht massiv ausgebaut: Das Parlament in Budapest billigte am Montag mit deutlicher Mehrheit einen Gesetzentwurf der Regierung, laut dem Orban nun im Rahmen eines Notstands unbegrenzt per Dekret regieren kann.

Ungarns Regierungschef Viktor Orban - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Parlament verabschiedet umstrittenes Pandemie-Notstandsgesetz.

Die Regierung begründet das Gesetz mit dem Kampf gegen das Coronavirus. Kritiker sehen darin nur einen Vorwand, um die Machtstellung Orbans auszubauen.

Das Gesetz wurde mit 137 zu 53 Stimmen vom Parlament verabschiedet. Ihm zufolge kann die nationalkonservative Regierung den am 11. März wegen der Pandemie verhängten Notstand ohne die Zustimmung des Parlaments unbegrenzt verlängern. Sie erhält das Recht, «die Anwendung bestimmter Gesetze per Dekret auszusetzen» und «andere aussergewöhnliche Massnahmen einzuführen, um die Stabilität des Lebens, der Gesundheit, der persönlichen und materiellen Sicherheit der Bürger wie der Wirtschaft zu garantieren».

Ausserdem drohen dem Gesetz zufolge bis zu fünf Jahre Haft für die Verbreitung falscher Berichte sowohl über das Virus als auch über das Handeln der Regierung. Genau diesen Vorwurf der Verbreitung von «Fake News» hat die Regierung in der Vergangenheit immer wieder gegen die wenigen verbliebenen unabhängigen Medien im Land erhoben.

«Wir müssen alles in unserer Macht stehende tun, um die Ausbreitung des Virus zu stoppen», verteidigte Justizministerin Judit Varga den Gesetzentwurf vor der Parlamentsabstimmung. Er füge sich «perfekt in den verfassungsmässigen Rahmen» ein. Vertreter der Opposition dagegen sprachen von einem «Staatsstreich» und einem weiteren «Schritt Richtung Diktatur».

Orbans Kritiker im In- und Ausland befürchten angesichts seiner Politik in den vergangenen zehn Jahren einen Missbrauch der neuen Sonderrechte: Zahlreiche unabhängige Organisationen verweisen darauf, dass es in Ungarn seit 2010 vielfache Angriffe auf den Rechtsstaat in den Bereichen Justiz, Zivilgesellschaft und Meinungsfreiheit gegeben habe. Für Beunruhigung sorgt auch eine Klausel in dem Entwurf, welche die Möglichkeit einer «erzwungenen parlamentarischen Pause» vorsieht.

Seitdem Vertreter der Opposition in der vergangenen Woche eine Verabschiedung des Gesetzentwurfs im Schnellverfahren ablehnten, sehen sie sich des Vorwurfs des «Verrats» ausgesetzt. Der unabhängige Abgeordnete Akod Hadhazy erklärte, das Gesetz sei in erster Linie «eine Falle für die Opposition», der die Regierung vorwerfe, «auf Seiten des Virus» zu stehen.

Regierungssprecher Zoltan Kovacs erklärte am Montag, das Gesetz sei durch das Widerspruchsrecht des Parlaments und die Pandemie selbst begrenzt, die «hoffentlich irgendwann aufhören wird». Allerdings ist das Widerspruchsrecht des Parlaments nur formal, da die Fidesz-Partei von Orban über eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament verfügt.

Ungarn hat bislang 408 Coronavirus-Infektionen sowie 13 Todesfälle gemeldet. Das EU-Land hat wegen der Pandemie seine Landgrenzen ebenso geschlossen wie seine Schulen sowie andere öffentliche Einrichtungen.

Der Rechtspopulist Orban steht wegen Angriffen auf die Gewaltenteilung immer wieder in der Kritik. In der EU läuft ein Rechtsstaatlichkeitsverfahren wegen der Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Ungarn.