Kantonsparlament verabschiedet neues Bevölkerungsschutzgesetz

Zukünftig müssen Frauen sowie Ausländerinnen und Ausländer im Jahr, in dem sie das 23. Lebensjahr vollenden, an einer Informationsveranstaltung teilnehmen.

Kanton Bern führt obligatorische Informationsveranstaltungen zum Bevölkerungsschutz ein. - Keystone

Künftig müssen Frauen und im Kanton Bern wohnhafte Ausländerinnen und Ausländer im Jahr, in dem sie das 23. Altersjahr vollenden, an einer Informationsveranstaltung teilnehmen. Der Grosse Rat hat am Mittwoch in erster Lesung die Revision des kantonalen Bevölkerungsschutzgesetzes verabschiedet.

Das Parlament stimmte der Gesetzesrevision mit 84 Ja- bei 52-Nein-Stimmen und 7 Enthaltungen zu. Mit der Revision passt der Kanton sein Bevölkerungsschutzgesetz an neue rechtliche Bestimmungen des Bundes an.

Anpassung ans Bundesrecht

Das neue kantonale Bevölkerungsschutzgesetz (KBSG) regelt die Aufgaben, Organisation und Finanzierung des Bevölkerungsschutzes und schafft die Grundlagen für die Massnahmen im Katastrophenfall.

Nicht einig war sich der Rat, ob künftig auch Frauen und im Kanton wohnhafte Ausländerinnen und Ausländer an einer «obligatorischen Sicherheitsveranstaltung» teilnehmen müssen. Die Idee stammte von den Parteien Mitte, FDP und EDU, als Vorbild diente der Kanton Aargau.

Die Teilnehmenden sollen an diesen zwei bis drei Stunden dauernden Veranstaltungen zum Thema der öffentlichen Sicherheit und des Bevölkerungsschutzes informiert und dazu motiviert werden, «sich für die Sicherheit zu engagieren». Armee, Zivilschutz und ähnliche Organisationen haben gemäss Regierung mit «Bestandesproblemen» zu kämpfen. Wer den Anlass schwänzt, soll mit bis zu 600 Franken gebüsst werden können.

Finanzierung der Veranstaltungen

Die Regierung rechnet bei diesen Veranstaltungen mit einmaligen Kosten von 100'000 Franken und wiederkehrenden von jährlich 543'000 Franken.

«Es gibt viele junge Leute und Neubürgerinnen, die nicht wissen, wie unser Sicherheitssystem funktioniert», befand Befürworter Mathias Müller namens der SVP-Fraktion. Andreas Hegg von der FDP-Fraktoin verstand nicht, was schlecht daran sein sollte, die Bevölkerung zu sensibilisieren. «Diese Veranstaltungen sind auch Integration», war er sich mit Müller einig.

Francesco Rappa. - Die Mitte

«Umfragen zeigen, dass ein obligatorischer Informationstag für Frauen begrüsst würde», sagte Francesco Rappa (Mitte). Aktuelle Kampagnen erreichten zudem nicht alle jungen Leute.

Kritik an den Informationsveranstaltungen

Katharina Baumann (EDU) erkannte in den Informationsveranstaltungen auch «eine Chance». Die Aufgebotenen würden dort wertvolle Informationen erhalten. «Das ist sinnvoll», sagte Hanspeter Steiner (EVP). Die Befürwortenden waren sich zudem einig: Ein Aufwand von gegen einem halben Tag in den Abendstunden sei zumutbar.

Nicht einverstanden waren SP, Grüne und GLP. «Der Aargau soll jetzt Erfahrungen mit diesen Veranstaltungen machen. Wir können dann immer noch nachziehen», wünschte sich Margrit Junker Burkhard von der SP/-Juso-Fraktion. Die Wirkung der Orientierungen sei nicht messbar, argumentierte (GLP).

Es gebe noch andere notleidende Branchen – ob denen denn bald auch auf ähnliche Weise geholfen würde, wollte Thomas Hiltpold (Grüne) vom Rat wissen. Er sei zudem überzeugt, dass sich auf andere Weise mit weniger Geld mehr motivierte Leute finden liessen.

Entscheidung des Grossen Rates

Die Ratslinke kritisierte zudem, dass Schweizer Männer, die nicht militärdiensttauglich sind, nicht für diese Veranstaltungen aufgeboten werden.

Letztlich stand das linke Lager im bürgerlich geprägten Parlament aber auf verlorenem Posten. Auch nicht durchdringen konnte es mit der Idee, dass die Teilnehmenden dieser Veranstaltungen finanziell entschädigt werden sollten.

Regierungsrat Philippe Müller (FDP): «Uns läuft die Zeit davon». - Keystone

«Uns läuft die Zeit davon», sagte der zuständige Regierungsrat Philippe Müller (FDP). In den letzten sechs Jahren sei der Bestand des Zivilschutzes um einen Drittel zurückgegangen. «Es wäre eine verpasste Chance, diese Veranstaltungen nicht einzuführen».

2026 sollen die ersten Pilotveranstaltungen stattfinden. Nach fünf Jahren muss der Regierungsrat die Wirksamkeit und den Nutzen der obligatorischen Sicherheitsveranstaltungen überprüfen.