Streit um Baselbieter Arbeitsmarktkontrollen eskaliert
Der Streit um Baselbieter Arbeitsmarktkontrollen wird immer härter ausgetragen. Jetzt hat das Kiga als zuständiges Amt eine Strafanzeige eingereicht. Eine solche will auch die Direktion von Regierungsrat Thomas Weber einreichen, dies wegen Amtsgeheimnisverletzung.
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Kernstreitpunkt ist die Frage der Allgemeinverbindlichkeit von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) bei den Gipsern, Malern und der Dach/Wand-Branche. 2010 gab es zwei neue GAV, aber drei alte wurden weiter verlängert auf Antrag der Sozialpartner, also Arbeitnehmer- und -geber-Organisationen. Umstritten ist, welche GAV heute gelten.
Gewerkschaften und Branchenverbände hatten zum Vollzug Anfang 2017 gemeinsam einen Verein namens «Arbeitsmarktkontrolle für das Baugewerbe AMKB» gegründet. Das Co-Präsidium wurde dabei von der Unia und der Wirtschaftskammer Baselland bestellt. Vorausgegangen war da ein Streit um Schwarzarbeitskontrollen und Kostenabgeltungen.
Der Kanton leistet Vollzugskostenbeiträge für diese GAV der Gipser etcetera; Details regelt eine Leistungsvereinbarung. Die Ansätze der alten und der neuen GAV sind nicht gleich hoch und unterschiedlich für Branchenverbands-Mit- und -Nichtmitglieder. Diese GAV sind Ende 2017 ausgelaufen; erneute Verlängerungen sind beantragt.
Differenzen
Vor etwa einem Jahr seien jedoch unterschiedliche Interpretationen aufgefallen, hiess es am Mittwoch an einer Medienkonferenz der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion (VGD). Seither hätten Sozialpartner mit dem zuständigen kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga) Dokumente ausgetauscht, hiess es.
Bis heute seien Fragen offen geblieben, sagte VGD-Vorsteher Thomas Weber. Im Raum stünden etwa mögliche Beitrags-Rückforderungen des Kantons und ob strafrechtlich relevante Handlungen wie Betrug oder Urkundenfälschung begangen wurden. Ein internes Gutachten mit Hinweisen auf letztere habe die Regierung Mitte Mai erhalten.
Zwar besteht Anzeigepflicht für solche Delikte, wie Weber sagte, aber ebenso strafbar sei falsche Anschuldigung. Deswegen habe er - nach den Erfahrungen aus der Honoraraffäre - vor dem Einreichen einer Anzeige die Vorwürfe seriös abklären wollen. Ein nächstes Treffen mit dem Kontrollorgan AMKB war auf 21. Juni angesetzt.
Indiskretion
Eine mehreren Medien zugespielte Aktennotiz von Kiga-Kaderleuten hat seit Montagabend Schlagzeilen gemacht, weil diese Weber warnt, die Herausgabe bestimmter Informationen oder gar das Verhandeln über eine Anzeige könne als Begünstigung betrachtet werden. Verhandelt werde aber nichts, sagte Weber; das sei ein Missverständnis im Kiga.
Wegen der Medienberichte, die Kritik an Webers Vorgehen publik machten, habe sich die Lage jedoch verändert; das Treffen mit der AMKB sei hinfällig geworden: Das Kiga hat am Dienstag - wie gegenüber der Regierung Anfang Juni angekündigt - Anzeige erstattet gegen Unbekannt. Ab sofort sei die Staatsanwaltschaft am Zug.
Weber betonte, weder er noch die Gesamtregierung hätten zuvor das Kiga am Einreichen der Anzeige hindern wollen. Er habe sich «nichts vorzuwerfen». Die internen Dokumente seien wohl zwecks medialen Drucks gegen Weber und das Vorgehen der Sozialpartner gestreut worden, darum die Anzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung der VGD.
Auf die Frage, ob nach den diversen Konflikten um Kontrollen und Abgeltungen die Arbeitsmarktaufsicht einer Staatsstelle übertragen werden sollte, beantwortete Weber ablehnend: Zwar habe die aus parlamentarischen Entscheiden entstandene heutige Struktur Lücken, aber er bezweifle, dass der Kanton alles besser machen könnte.
Altlast
Die Baselbieter Staatsanwaltschaft teilte am Mittwoch ihrerseits mit, sie habe im älteren Strafverfahren um die frühere «Zentrale Arbeitsmarktkontrolle» (ZAK), einer teilweisen Vorläuferin der AMKB, ein Ausstandsbegehren gestellt. Demnach dürfte die Regierung bald einen ausserordentlichen Staatsanwalt einsetzen.
Nötig wurde dies, weil neu aufgetauchte Aspekte VGD-Vorsteher Weber betreffen. Als Regierungsmitglied beaufsichtigt er die Baselbieter Staatsanwaltschaft mit, was ein Befangenheitsrisiko bedeutet. Das Verfahren könnte auf weitere Personen ausgeweitet werden; zudem sei ein entsprechender Antrag einer involvierten Partei eingegangen.
Im ZAK-Fall war es erst um ungetreue Geschäftsbesorgung und Betrug zum Nachteil des Kantons gegangen. Dieses Verfahren ist eingestellt worden - die Staatsanwaltschaft vermisste beim Kanton elementarste Vorsichtsmassnahmen. Dafür läuft nun ein zweites Verfahren gegen zwei Kantonsangestellte, bei denen die neuen Aspekte zu Tage traten.
-Mitteilung der SDA (mis)