Eintönigkeit in der Formel 1 wegen Lewis Hamilton
Noch ist nicht Halbzeit, doch die Formel 1 ist schon wieder eine Formel Hamilton. Der Brite fährt unaufhaltsam seinem sechsten WM-Titel entgegen. Die Konkurrenz wirkt ratlos.
Das Wichtigste in Kürze
- Mercedes und allen voran Lewis Hamilton beherrschen die Formel 1 derzeit mit einer selten gesehenen Dominanz.
Auch nach Spielberg, wo am Sonntag der Grosse Preis von Österreich stattfindet, reiste das Team ungeschlagen an: 8 Rennen, 8 Siege, davon 6 Doppelsiege. Sechsmal stand Titelverteidiger Hamilton zuoberst auf dem Podium.
Die Königsklasse des Motorsports leidet unter Eintönigkeit. Hamilton selbst zeigte nach seinem vierten aufeinanderfolgenden Sieg am letzten Sonntag im französischen Le Castellet sogar Verständnis für die Kritik an der Langeweile an der Spitze. «Aber das ist ja nicht der Fehler der Fahrer», entgegnete der WM-Leader und holte zu einem Rundumschlag aus. Die Formel 1 stecke seit vielen Jahren in einem «konstanten Kreislauf» aus «schlechten Entscheiden» fest, urteilte der 34-jährige Brite.
Die ungleiche Geldverteilung, die Schwäche des Weltverbandes FIA als oberste Sportbehörde und der zu grosse Einfluss der Teams auf das Reglement - all das hat Hamilton als Grund für den Mangel an packender Renn-Action ausgemacht. «Ich sehe den Schlamassel, in dem wir stecken», räumte er ein.
Auch wenn abseits der Rennstrecken nicht alles nach seinem Gusto verläuft, sein Hunger nach noch mehr Erfolg, nach Rekorden und Perfektion reisst nicht ab. Die Bestmarke von 91 GP-Siegen von Rekordweltmeister Michael Schumacher wirkt bei Hamiltons Dominanz gar nicht mehr weit weg. Auf der Powerstrecke in Spielberg, wo Hamilton vor drei Jahren das einzige Mal gewinnen konnte, strebt er seinen 80. GP-Sieg an.
Ernsthafte Konkurrenz, die ihm diesen streitig machen könnte, ist nicht in Sicht. Ferrari hat sich bei der aerodynamischen Planung derart verschätzt, dass der Rückstand in dieser Saison wohl nicht mehr aufzuholen ist. Sebastian Vettel liegt als WM-Dritter schon 76 Punkte hinter Hamilton zurück. Vor allem in den Kurven ist der SF90 von Ferrari wegen dem fehlendem Abtrieb dem W10 von Mercedes deutlich unterlegen.
Dazu sind die Silberpfeile nicht nur schnell, sondern auch zuverlässig. Letztmals sahen sie vor ziemlich genau einem Jahr die Zielflagge nicht: am 1. Juli 2018 beim Grand Prix von ... Österreich. Damals schied der aus der Pole-Position gestartete Bottas schon in der 14. von 71 Runden mit Hydraulik-Schaden aus, Hamilton blieb kurz vor Schluss wegen fehlendem Benzindruck stehen. Zuvor war Hamilton 2016 in Malaysia ein Motorschaden zum Verhängnis geworden, der ihn schliesslich den WM-Titel an Rosberg kostete.
Viele glaubten nach den ersten vier Saisonrennen, es könnte sich trotz der Überlegenheit von Mercedes - die Silberpfeile holten seit Beginn der 2014 begonnenen Ära mit den Turbo-Hybrid-Motoren alle fünf WM-Titel - zumindest teamintern wieder ein heisser Kampf um die WM-Krone entwickeln. Bottas war mit viel Entschlossenheit in sein drittes Jahr bei Mercedes gestartet, hatte in Australien und Aserbaidschan gewonnen und schien deutlich stärker als im Jahr zuvor.
Doch davon ist heute nicht mehr viel zu sehen. Zuletzt war Hamilton für Bottas unerreichbar. In der WM-Wertung liegen schon 36 Punkte zwischen den beiden Teamkollegen. Der Finne muss sich eher wieder nach hinten orientieren, um die Ferraris und Red Bulls in Schach zu halten. Steigert sich Bottas nicht markant, wird er sein Cockpit 2020 wohl an Ersatzfahrer Esteban Ocon verlieren.
Hamilton dürfte das alles egal sein, der Engländer zieht bei Mercedes sein eigenes Ding durch. Bewahrt er auch bei der sich abzeichnenden Hitzeschlacht in Österreich kühlen Kopf, kehrt in der Formel 1 die Spannung an der Spitze so schnell nicht wieder zurück.