Das grosse Zittern: München droht EM-Aus - DFB unter Druck

Es sind entscheidende Tage für den Deutschen Fussball-Bund. Für die EM in diesem Sommer droht das Aus als Co-Gastgeber. Die Fans protestieren gegen die Europapokal-Reform. Innerhalb des Verbands gibt es scharfe Kritik am Führungspersonal.

Die Stadt München verweigert weiterhin eine Garantie für die Zulassung von Publikum bei der EM. Foto: Matthias Balk/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Am malerischen Genfer See ringt der Deutsche Fussball-Bund um seine EM-Gastgeberrolle und eine Lösung in der politisch enorm heiklen Zuschauerfrage.

Die Stadt München, die in diesem Sommer alle Gruppenspiele der deutschen Nationalmannschaft ausrichten soll, verweigert weiterhin eine Garantie für die Zulassung von Publikum. Der DFB muss deshalb bei der UEFA-Sitzung am Montag (ab 9.00 Uhr) in der Schweiz, während der zur Vermeidung einer Superliga auch die tiefgreifende Europapokal-Reform beschlossen werden soll, hart verhandeln. Ein Kompromiss oder das Münchener EM-Aus - bis zuletzt schien beides möglich.

Der DFB, der in der Heimat scharfer Kritik ausgesetzt ist, bestätigte am Sonntag den Eingang zweier Briefe aus dem Bundesinnenministerium und der Bayerischen Staatskanzlei Ende der vergangenen Woche. Laut «Bild am Sonntag» lehnen beide Häuser eine feste Zusage für die Öffnung von mindestens 20 bis 25 Prozent der Stadionkapazität für Zuschauer ab. Das wiederum scheint die Voraussetzung der UEFA zu sein - neun von zwölf Gastgebern des Turniers (11. Juni bis 11. Juli) gaben zudem schon Grünes Licht, in Ungarn soll vor vollen Rängen gespielt werden.

«Der DFB ist mit Bund und Land im ständigen, konstruktiven Austausch», teilte der DFB am Sonntag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. «Trotz der herausfordernden pandemischen Entwicklung bleiben wir optimistisch, dass die UEFA mit München bei der Euro 2020 plant.»

In der Allianz Arena von Rekordmeister FC Bayern soll neben den Partien der DFB-Auswahl gegen Weltmeister Frankreich (15. Juni), Europameister Portugal (19. Juni) und Ungarn (23. Juni) ein Viertelfinale (2. Juli) stattfinden. «Die UEFA macht es zur Bedingung, dass an den jeweiligen Spielorten Zuschauer zugelassen werden, das ist aus meiner Sicht eine Form der Erpressung», sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Bleibt die UEFA hart - auch Dublin und Bilbao sind noch nicht als Gastgeber bestätigt - würden die Partien in eine andere Stadt verlegt werden. Der Brief aus dem BMI verdeutlicht, dass diese nicht in Deutschland liegen würde. Russland mit St. Petersburg hat sich bereits ins Gespräch gebracht, auch Ungarn mit Budapest und Finalgastgeber England mit London wären denkbare Alternativen.

«Klar ist auch, die UEFA hat überhaupt nichts gegen München und möchte den Spielort erhalten. Aber wir dürfen in München auch nicht sagen «Mia san Mia» und deswegen haben wir unseren Standpunkt», sagte DFB-Vizepräsident Rainer Koch in der BR-Sendung «Heute im Stadion». Der 62-Jährige ist Mitglied im UEFA-Exekutivkomitee - und will am Dienstag beim Kongress des Dachverbandes in dieser Funktion bestätigt werden. Der DFB ist in einer verzwickten Lage.

Zwar sagte der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter auch in der «Welt am Sonntag» erneut, dass Spiele vor Fans im Sommer wünschenswert seien. Er hoffe, «dass sich die Pandemielage bis Juni entspannt und wir unter Einbeziehung zusätzlicher Hygienemassnahmen und eventueller Teststrategien, wie von der UEFA angestrebt, wenigstens einen gewissen Prozentsatz der Plätze in der Allianz Arena für Zuschauer freigeben können». Die Kernaussage bleibt aber: Garantien kann es nicht geben.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hatte sich zuletzt skeptisch geäussert - und dann gar nicht mehr. Mitten in der Corona-Krise die Durchführung von EM-Spielen in knapp zwei Monaten vor Fans zu verkünden, scheint politisch schwierig. Der CSU-Chef ringt derzeit um die Kanzlerkandidatur in der Union. Die Landesregierung könnte ein EM-Aus mit dem Schutz der Gesundheit zudem leichter erklären als der DFB, für den eine Entscheidung gegen München sportpolitisch ein weiterer, harter Schlag wäre.

In der Schweiz vor Ort sein wollen neben Koch auch DFB-Präsident Fritz Keller, Generalsekretär Friedrich Curtius und Vize Peter Peters, der am Dienstag in den Rat des Weltverbandes FIFA gewählt werden soll. Das Zerwürfnis zwischen Keller und Curtius könnte auch UEFA-intern zum Thema werden - in Deutschland machten zuletzt die Amateurvertreter massiv Druck.

Mehrere Landes- und Regionalverbände bereiten nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» ein Schreiben an die DFB-Spitze vor. Demnach beklagen die Amateurvertreter in einem Positionspapier, das der Zeitung nach eigenen Angaben vorliegt und das in der kommenden Woche dem DFB-Präsidium zugehen soll, unter anderem den «desolaten» Zustand des Dachverbandes. Eine Zusammenarbeit zwischen Keller, Curtius, Schatzmeister Stephan Osnabrügge und Koch sei «in der aktuellen Konstellation undenkbar».

Nach Ansicht etlicher Fans ist der Verband kaum mehr zu retten. Mehrere Organisationen machten zuletzt mobil gegen die Reform des Europapokals, die insbesondere in der Champions League zu massiv mehr Spielen von 36 statt 32 Teilnehmern führen wird. Am Sonntag sorgten Berichte über die erneute Drohkulisse einer Superliga einiger europäischer Clubs ohne die UEFA für Aufsehen. Der englischen «Times» zufolge gehören Manchester United, der FC Liverpool, FC Arsenal und FC Chelsea sowie Tottenham Hotspur dazu. Der FC Bayern soll nicht beteiligt sein - wie auch der französische Champion Paris Saint-Germain. Dafür Vereine aus Spanien und Italien.

Die UEFA will aber von ihrem Plan nicht abrücken. Der Dachverband verurteilte das Superliga-Vorhaben am Sonntagabend gemeinsam mit den Verbänden und Ligen aus England, Spanien und Italien als «zynisches Projekt» aus dem Eigeninteresse einiger Clubs. Es würden alle zur Verfügung stehenden Massnahmen in Erwägung gezogen, auf juristischer und sportlicher Ebene, um das zu verhindern, hiess es. Zudem bekräftigten UEFA und Partner, dass beteiligte Clubs und auch Spieler für andere Wettbewerbe bis hin zur WM gesperrt werden könnten. «Genug ist genug», hiess es in der Erklärung.

Die UEFA-Reform war im Vergleich zur Superliga auch von deutschen Funktionären als kleineres Übel dargestellt worden. Fan-Organisationen folgen dieser Argumentation nur bedingt. Das Bündnis «Unsere Kurve» forderte explizit Koch zum Votum gegen die Reform auf. Auch Zweitligist St. Pauli appellierte an den DFB-Vizepräsidenten, nicht zuzustimmen. Dem nachzukommen, scheint für den im DFB einflussreichen 62-Jährigen nicht möglich. Die UEFA will die Reform, und der deutsche Verbandsriese muss sich gut stellen - sonst wird die EM-Verhandlung noch schwieriger.