José Mourinho: Deshalb wird er es bei Tottenham Hotspur schwer haben

José Mourinho hat diese Woche Tottenham übernommen und soll den Verein aus der Krise führen. Doch der Coach dürfte bei den Londonern einen schweren Stand haben.

José Mourinho bei einer Pressekonferenz des Premier-League-Vereins Tottenham Hotspur. - AP

Das Wichtigste in Kürze

  • Tottenham hat sich von Mauricio Pochettino getrennt und José Mourinho verpflichtet.
  • Der portugiesische Star-Trainer hat einen Vertrag bis Sommer 2023 unterzeichnet.
  • Aus mehreren Gründen scheint er nicht zu den Spurs zu passen.

Fünfeinhalb Jahre lang war Mauricio Pochettino Trainer von Tottenham Hotspur. Der 47-jährige Argentinier klassierte sich mit den Spurs in den letzten vier Saisons jeweils unter die Top-4.

Das grosse Highlight war sicherlich das überraschende Erreichen des Champions-League-Finals in der letzten Saison. Doch der schwache Saisonauftakt in die aktuelle Premier-League-Spielzeit ist ihm zum Verhängnis geworden: Der Verein trennte sich anfangs Woche vom Argentinier.

Nun soll José Mourinho das Team aus der Krise führen. Am Samstag gibt er gleich im Londoner Derby auswärts gegen West Ham (13.30 Uhr) sein Debüt. Doch der Portugiese dürfte es schwer haben: Es gibt mehrere Vorzeichen, die gegen eine erfolgreiche Zusammenarbeit sprechen.

1. Spurs-Fans sind attraktiven Offensiv-Fussball gewohnt

Seit Jahren stehen die Spurs für attraktiven Offensiv-Fussball. Dies war auch vor Pochettinos Zeit so – einzige Ausnahme war die Spielweise unter André Villas-Boas. Für die Fans gehört die attraktive Spielweise beinahe genauso zum Club wie der Hahn im Emblem.

Jubelnde Tottenham-Spieler gab es zuletzt selten zu sehen. - AP Photo

Mourinho lässt hingegen einen resultatorientierten Fussball spielen, bei dem es in erster Linie darum geht, hinten die Null zu halten. Jahre lang gewann der Portugiese damit Trophäen, aber gewiss keine Attraktivitätspreise. Ob sich die Spurs-Fans mit einer unattraktiven Spielweise anfreunden können, ist mehr als fraglich. Dies gelang bereits vor einigen Jahren Mourinhos Landsmann Villas-Boas nicht.

2. Fehlende Spielphilosophie?

Während bei Trainern wie Pep Guardiola oder Jürgen Klopp sowohl defensiv wie auch offensiv klare Spielideen vorhanden sind, wirkten die letzten Mourinho-Teams oft ratlos im Spielaufbau. Früher lautete sein Erfolgsrezept: Mit defensiver Sicherheit über Konter zum Erfolg kommen.

Während dies zu seinen erfolgreichsten Zeiten gegen spielstarke Teams immer wieder funktionierte, war dies gerade bei Manchester United nicht von Erfolg gekrönt. Hinzu kamen ideenlose Auftritte gegen vermeintliche Aussenseiter. Da stellt sich die Frage, ob es Mourinho nicht verpasst hat, sich der Evolution des Fussballs anzupassen.

3. Vergangenheit und Verbundenheit mit Chelsea

Ein weiterer schwarzer Fleck aus Sicht der Spurs-Fans dürfte seine Chelsea-Vergangenheit sein. Als Trainer des Londoner Stadtrivalen holte er insgesamt acht nationale Titel, darunter drei Meisterschaften. Zudem äusserte er sich mehrmals negativ über die Spurs.

2015 sagte der Portugiese, er hätte nach seiner ersten Station bei Chelsea das Traineramt bei Tottenham nie übernehmen können. Grund: «Weil ich die Chelsea-Fans zu sehr liebe. Ich bin Chelsea.»

4. Komplettes Gegenteil von Pochettino

Obwohl Pochettino in den viereinhalb Saisons keinen Titel gewinnen konnte, ist er bei den Fans äusserst beliebt. Einerseits liegt es daran, dass er die Spurs in den Top-4 etabliert hat, einmal Vize-Meister wurde und mit ihnen den CL-Final erreichte. Andererseits ist er ein ruhiger, besonnener Charakter, der gut zum Verein passte und immer das Team in den Vordergrund stellte.

Mourinho ist quasi das komplette Gegenteil, eckt – besonders wenn es nicht läuft – fast bei allen an. Diese Art des «Special One» ist bei vielen Fans unbeliebt.

5. Transferpolitik vom Club-Boss

Zu Pochettinos Entlassung hat auch sein Verhältnis zu Club-Boss Daniel Levy beigetragen. Die beiden hatten sich in der Transferpolitik immer mehr zerstritten. Der Club hat in den letzten zwei Jahren kaum Geld ausgegeben – wohl auch wegen der Finanzierung des neuen Stadions.

Tanguy Ndombélé (l.) im Zweikampf mit Roter Sterns Njegos Petrovic. Ndombélé war diesen Sommer der teuerste Transfer der Spurs (60 Millionen Euro). - AP Photo

Das könnte auch für Mourinho zum Streitpunkt werden. Dasselbe ist ihm schon bei Manchester United widerfahren, als er einige Wunschspieler nicht holen durfte. Sollte Levy dem «Sparkurs» treu bleiben, muss der Portugiese ohne grosse Transfers auskommen und mit dem aktuellen Kader zurück in die Top-4 finden. Auch wenn er sagt, dass er keine neuen Spieler brauche.

José Mourinho bringt Gewinnermentalität mit

Trotzdem hat das Engagement von Mourinho für die Spurs auch Pluspunkte. Er ist ein Gewinner, hat seit seiner Zeit beim FC Porto mit jedem seiner Teams Titel gewonnen – auch mit Manchester.

Das ist genau das, was den Spurs fehlt. Seit 2008 (Liga-Cup) hat Tottenham keinen Titel mehr gewonnen; den letzten wichtigen Erfolg gab es 1991 (FA Cup). Daran werden schliesslich Trainer auch gemessen.

Mit Manchester United gewann José Mourinho 2017 die Europa League. - Keystone

Zudem habe der Portugiese die Auszeit für eine tiefe Analyse genutzt: «Natürlich werde ich Fehler machen, aber nicht dieselben wie in der Vergangenheit», sagte er am Donnerstag. Und im Vergleich zu Manchester (Pogba) gibt es im Spurs-Kader eigentlich keine Unruhestifter.